digitalcourage e.V. - Pressemitteilung vom 15. November 2018
Digitalcourage: Diesel-Skandal wird zu Überwachungs-Skandal
Digitalcourage warnt akut vor dem Neunten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und fordert den sofortigen Abbruch des Gesetzgebungsverfahrens, weil es sich um ein Gesetz zur massenhaften Überwachung aller Autofahrerinnen und Autofahrer in Deutschland handelt. Die Bevölkerung in diesem Land hat nach Ansicht von Digitalcourage das Recht, autofahren zu können, ohne ins Gesicht gefilmt zu werden. Aus diesem Grund muss für das im Entwurf angegebene Problem eine andere Lösung gefunden werden. Digitalcourage bewertet diesen Entwurf als politisch, sozial und juristisch unverantwortlich und die vorgeschlagene Lösung für nicht rettbar. Digitalcourage bewertet die Pläne des Verkehrsministeriums als klar unverhältnismäßig, freiheitsfeindlich und verfassungswidrig.
"Es ist unsäglich, dass die Politik die Autokonzerne nicht zu einer technischen Nachrüstlösung verpflichtet, dafür für symbolische Fahrverbote eine Überwachungsinfrastruktur für alle Leute aufbauen will, die in die Innenstadt fahren", sagt Rena Tangens, Gründungsvorstand von Digitalcourage.
"Erst zieht die Bundesregierung die Autokonzerne für den Dieselbetrug nicht zur Rechenschaft, dann werden einige wenige symbolische Fahrverbote geschaffen und dann wird die Symbolpolitik auf die Spitze getrieben, dass allen Autofahrerinnen und Autofahrern ins Gesicht gefilmt werden soll" sagt padeluun, Gründungsvorstand von Digitalcourage. "Soll ich als Bürger das jetzt böse oder dumm nennen?"
"Aus unserer Sicht ist dieser Entwurf kein Verkehrs- oder Umweltgesetz, sondern ein reines Überwachungsgesetz", sagt Friedemann Ebelt von Digitalcourage. "Digitalcourage bewertet den Entwurf aus dem CSU-Verkehrsministerium als klar unverhältnismäßig, freiheitsfreindlich und verfassungswidrig."
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Digitalcourage warnt akut vor dem Neunten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und fordert den sofortigen Abbruch des Gesetzgebungsverfahrens, weil es sich um ein Gesetz zur massenhaften Überwachung aller Autofahrerinnen und Autofahrer in Deutschland handelt. Die Bevölkerung in diesem Land hat nach Ansicht von Digitalcourage das Recht, autofahren zu können, ohne ins Gesicht gefilmt zu werden. Aus diesem Grund muss für das im Entwurf angegebene Problem eine andere Lösung gefunden werden. Digitalcourage bewertet diesen Entwurf als politisch, sozial und juristisch unverantwortlich und die vorgeschlagene Lösung für nicht rettbar. Digitalcourage bewertet die Pläne des Verkehrsministeriums als klar unverhältnismäßig, freiheitsfeindlich und verfassungswidrig.
Nach 30 Jahren Erfahrung im Bereich Grund- und Bürgerrechte geht Digitalcourage bei der Bewertung des Entwurfs davon aus, dass Überwachungsmaßnahmen stets zwar geschaffen und erweitert, aber niemals zurückgenommen werden. Darum ist davon auszugehen, dass das geplante Gesetz zukünftig von einem Überrwachungsgesetz zu einem Repressionsgesetz erweitert werden wird.
Das betrifft die Art der erfassten, gespeicherten und verarbeiteten Daten; die Zwecke der Datenverarbeitung und die Weitergabe der Daten an Dritte. Digitalcourage bewertet diesen Entwurf als politisch, sozial und juristisch unverantwortlich und den vorgeschlagene Lösung für nicht rettbar.
zu A. Problem und Ziel:
"[Z]um Schutz der (...) Bevölkerung vor Abgasen" ist im Rahmen einer
flächendeckenden Videoüberwachung der autofahrenden Bevölkerung die
massenhafte, ständige und automatische Datenübertragung des "Kennzeichens
des Fahrzeugs", "Merkmale des Fahrzeugs", "Bild des Fahrzeugs und des
Fahrers" sowie "Ort und die Zeit der Teilnahme am Verkehr im Gebiet mit
Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverboten" an zuständige Landesbehörden
beabsichtigt.
Digitalcourage bewertet diese geplante Regelung als anlasslose
Massenüberwachung. Als vermeintliche Lösung für ein Verkehrs- und
Umweltproblem wird die Überwachung aller Autofahrerinnen und Autofahrer in
ganz Deutschland vorgeschlagen. Dieser Eingriff in die Grundrechte der
Bevölkerung ist absolut unverhältnismäßig. Nach Auffassung von
Digitalcourage ist in einer Demokratie und einem Rechtsstaat anlasslose
Massenüberwachung stets ein Problem und niemals eine Lösung.
zum Titel des Entwurfs: Neuntes Gesetz zur Änderung des
Straßenverkehrsgesetzes:
Der Titel des Entwurfs ist nach Einschätzung von Digitalcourage täuschend,
weil es sich im engeren Sinne bei dem Entwurf nicht um ein
Straßenverkehrsgesetz, sondern ein präemptives Überwachungsgesetz handelt.
Nach Ansicht von Digitalcourage muss der Titel geändert werden, zum
Beispiel in: "Autofahrer.innen-Überwachungsgesetz".
zu B. Lösung:
"Schaffung der datenschutzrechtlich erforderlichen Rechtsgrundlagen im
Straßenverkehrsgesetz."
Die Formulierung des Entwurfs ist irreführend und benennt nicht den Kern der geplanten Überwachungsmaßnahme. Für Bürgerinnen und Bürger klar nachvollziehbar wäre eine Formulierung wie: "Schaffung einer rechtlichen Grundlage für das dauerhafte, großflächige und anlasslose Filmen von Autofahrerinnen und Autofahrern inklusive automatischem Datenabgleich mit dem Zentralen Fahrzeugregister zum Zwecke der Überwachung und Kontrolle."
zu C. Alternativen:
Der Entwurf benennt keine Alternativen. Digitalcourage bittet die
zuständigen Ministerium um Auskunft, wie und welche Alternativen geprüft
worden sind.
zu "Durchführung und Überwachung":
§ 35 Absatz 1 soll wie folgt geändert werden: "c) Folgende Nummer 18
wird angefügt:
"18. zur Durchführung und Überwachung (...)"
Nach Ansicht von Digitalcourage sind Durchführung und Überwachung von
straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zwei unterschiedliche Sachverhalte,
deren Zusammenhang aus dem Text des Entwurfs nicht hervorgeht. Insofern
kritisieren wir Normiertheit und Klarheit dieser Regulierung.
zur Überwachung "aufgrund straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften":
Nach § 35 Absatz 1 Nummer 18 soll neu geregelt werden eine anlasslose
Massenüberwachung zum Zwecke der:
"(...) Durchführung und Überwachung von Verkehrsbeschränkungen und
Verkehrsverboten, die aufgrund des § 40 des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen
Vorschriften angeordnet worden oder aufgrund straßenverkehrsrechtlicher
Vorschriften zum Schutz der Wohnbevölkerung oder der Bevölkerung vor
Abgasen ergangen sind."
Die Formulierung "(...) aufgrund straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften
zum Schutz der Wohnbevölkerung oder (...)" kann nach Auffassung von
Digitalcourage als Generalklausel zur anlasslosen Überwachung aller
Autofahrerinnen und Autofahrern auf Grundlage jeder bestehenden oder
zukünftigen straßenrechtlichen Vorschrift gelesen werden. In diesem Fall
würde die geplante Regelung den Rahmen der angegebenen Problemstellung des
Gesetzesentwurfs verlassen und versuchen, durch die Hintertür,
intransparent versteckt, eine Rechtsgrundlage für eine viel umfangreichere
Überwachung aller Autofahrerinnen und Autofahrern zu schaffen.
Eine, in jedem Fall, zukünftig mögliche Erweiterung der erfassten Daten,
der Verarbeitungszwecke und der Befugnisse der Datenweitergabe, würde eine
lückenlose Überwachung von Autofahrerinnen und Autofahrern zur Folge haben.
Die Formulierung "(...) aufgrund straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften
(...)" ist ebenfalls geplant in § 63c Datenverarbeitung im Rahmen der
Überwachung.
zum automatisierten Verfahren:
In § 36 soll nach Absatz 2h folgender Absatz 2i eingefügt werden:
"Die Übermittlung nach § 35 Absatz 1 Nummer 18 aus dem Zentralen
Fahrzeugregister darf durch Abruf im automatisierten Verfahren an die nach
Landesrecht für die Durchführung und Überwachung dieser
Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverbote zuständigen Behörden erfolgen."
Digitalcourage warnt vor den technischen Risiken eines automatisierten
Verfahrens, bei dem massenweise "Kennzeichens des Fahrzeugs", "Merkmale des
Fahrzeugs", "Bild des Fahrzeugs und des Fahrers" sowie "Ort und die Zeit
der Teilnahme am Verkehr im Gebiet mit Verkehrsbeschränkungen oder
Verkehrsverboten" übertragen werden sollen. Aus Sicht der IT-Sicherheit
sind zahlreiche Angriffszenarien denkbar. Zudem stellt das System ein Ziel
dar für geheimdienstliche, kriminelle und staatliche Hackinggruppen. Ein
solches Verfahren würde eine kritische Infrastruktur schaffen, deren
unkomprimitiertes Funktionieren nach Einschätzung von Digitalcourage nicht
die Bedingung für Rechtsdurchsetzung im Straßenverkehr sein kann.
Zur Datenverarbeitung im Rahmen der Überwachung von Verkehrsbeschränkungen
und Verkehrsverboten:
Nach § 63c ist die automatische Erhebung, Speicherung und Verwendung
des "Kennzeichens des Fahrzeugs", "Merkmale des Fahrzeugs", "Bild des
Fahrzeugs und des Fahrers" sowie "Ort und die Zeit der Teilnahme am Verkehr
im Gebiet mit Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverboten" geplant. Nach
Ansicht von Digitalcourage erweckt die geplante Datenerhebung und
Datenverarbeitung den Eindruck einer präemtivpolizeilichen Maßnahme zur
Abwehr einer konkreten Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut. Die
geplanten Befugnisse entsprechen keinem Straßenverkehrsgesetz sondern einem
Überwachungsgesetz.
Eine verdeckte Datenerhebung soll nach § 63c Absatz 1 Nr. 4 möglich sein. Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, warum die geplante Massenüberwachung heimlich erfolgen soll.
Die Verfolgung von diesbezüglichen Ordnungswidrigkeiten soll in § 63c
Absatz 3 geregelt werden:
"Die Daten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 und Absatz 2 dürfen
ausschließlich zum Zweck der Verfolgung von diesbezüglichen
Ordnungswidrigkeiten an die hierfür zuständige Verwaltungsbehörde
übermittelt werden."
Nach Ansicht von Digitalcourage muss unter anderem auf Grund der oben
beanstandeten Formulierung "aufgrund straßenverkehrsrechtlicher
Vorschriften" davon ausgegangen werden, dass zukünftig weitere
Ordnungswidrigkeiten mit dem geplanten System zum Filmen von
Autofahrerinnen und Autofahrern durchgesetzt werden. Das verstärkt den
Eindruck, dass es sich hier um ein Überwachungs- und nicht um ein
Verkehrsgesetz handelt.
Blogartikel zum Thema:
https://digitalcourage.de/blog/2018/dieselskandal-wird-ueberwachungsskandal
Der Entwurf auf bmvi.de:
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/Gesetze-19/entwurf-neuntes-gesetz-zur-aenderung-des-strassenverkehrsgesetzes.html
Digitalcourage stellt öffentlich Fragen zum Entwurf an das
Verkehrsministerium:
https://fragdenstaat.de/anfrage/neuntes-gesetz-zur-anderung-des-straenverkehrsgesetzes/
Weiterführende Informationen
Artikel auf heise.de vom 15.11.2018:
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Intelligente-Videoueberwachung-von-Dieselfahrverboten-gefordert-4220092.html
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Quelle
Pressemitteilung vom 15. November 2018
digitalcourage e.V.
Marktstraße 18, 33602 Bielefeld
Telefon: +49-521-1639-1639, Fax: +49-521-61172
E-Mail: mail@digitalcourage.de
Internet: www.digitalcourage.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2018
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