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KIRCHE/1114: Deutsch-Afrikanisches Bischofstreffen zum Thema afrikanische Migraion nach Europa (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 04.04.2011

Mehr Flüchtlingsschutz:
Deutsche und afrikanische Bischöfe fordern Zulassung und angemessene Prüfung von Asylbegehren


Deutsche und afrikanische Bischöfe haben angesichts der steigenden Migration von Afrika nach Europa die Zulassung und angemessene Prüfung von Asylbegehren gefordert. "Flüchtlinge gehören zu den schwächsten und verletzlichsten Mitgliedern der Menschheitsfamilie. Zu ihrem Schutz sind alle Staaten rechtlich und moralisch verpflichtet. Es erfüllt uns daher mit Sorge, dass die Praxis des Schutzes der europäischen Außengrenzen erhebliche menschenrechtliche Probleme aufwirft", schreiben die Bischöfe in einem Communique, das sie am Wochenende beim VII. Deutsch-Afrikanischen Bischofstreffen verabschiedet haben. "Wir fordern: Asylbegehren müssen zugelassen und angemessen geprüft werden. Und auch die Abschiebung derjenigen, die aufgrund der Gesetze keinen Anspruch auf Aufenthalt in Europa haben, muss humanitären Standards entsprechen."

Das Communique ist das Ergebnis eines sechstägigen Treffens von 22 deutschen und afrikanischen Bischöfen vergangene Woche in München und Berlin. Aktuelles Thema der Begegnung war "Die afrikanische Migration nach Europa". Unterzeichner des Papiers sind der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Ludwig Schick, sowie Polycarp Kardinal Pengo (Tansania), Präsident von SECAM, dem Symposium der Bischofskonferenzen Afrikas.

In dem Dokument heißt es weiter: "Auch Menschen, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft für sich und ihre Familien den Weg nach Europa wagen, dürfen nicht pauschal verdächtigt und diffamiert werden. Gerade Europäer sollten sich daran erinnern, wie viele ihrer Vorfahren in vergangenen Jahrhunderten und nach dem Zweiten Weltkrieg in alle Welt ausgewandert sind. Richtig ist aber auch, dass Arbeitsmigration einer klugen und gerechten Steuerung bedarf, damit negative Folgen für Herkunfts- und Aufnahmeländer vermieden werden. Die europäischen Staaten sollten deshalb verstärkt über Modelle einer temporären oder zirkulären Migration nachdenken, die sowohl den Interessen der beteiligten Staaten als auch den betroffenen Menschen dienen können."


Gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Afrika und Europa

Um unfreiwillige, durch Not oder Perspektivlosigkeit erzwungene Migration zu vermeiden, fordern die Bischöfe eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Afrika und Europa: "Dazu bedarf es einer solidarischen Form der Globalisierung, die sich nicht zuerst an den Gewinninteressen von Einzelnen oder Konzernen, sondern an den Entwicklungschancen der Menschen und der Völker orientiert. Europa und Afrika bedürfen einer gleichberechtigten Partnerschaft - ein Anspruch, der in der bisherigen politischen Kooperation nicht eingelöst ist."

Weiter erinnern die Bischöfe daran, dass Migration ein Phänomen der gesamten Menschheitsgeschichte darstelle. "Migration ist ein treibendes Moment der sozialen, kulturellen und auch der religiösen Entwicklung. Allzu oft werden die wichtigen und förderlichen Beiträge übersehen, die Zuwanderer für die Aufnahmegesellschaften, aber auch für die Länder ihrer Herkunft (z. B. durch Rücküberweisungen) erbringen."

Probleme im Zusammenleben mit Fremden müssten offen angesprochen werden, "ohne Ressentiments populistisch auszubeuten. Hier sind große Klugheit und Sensibilität geboten." Die deutschen und afrikanischen Bischöfe hätten "den festen Willen, dem Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit überall auf der Welt entschlossen entgegen zu treten."

Die Tradition Deutsch-Afrikanischer Bischofstreffen reicht in die 80er Jahre zurück. Das Ziel dieser Treffen besteht in der Vertiefung der Beziehungen zwischen den Episkopaten der deutschen und der afrikanischen Ortskirchen. Beim VI. Bischofstreffen in Akosombo (Ghana) wurde im Jahre 2004 das Verhältnis von Christen und Muslimen in Afrika und Europa behandelt ("Christen und Muslime - Partner im Dialog für Entwicklung und Förderung geistlicher Werte").

Hinweis: Das Communique der deutschen und afrikanischen Bischöfe erhalten Sie im Anhang im Wortlaut.


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Communiqué des VII. Deutsch-Afrikanischen Bischofstreffens (München / Berlin, 28.03. 02.04.2011):

"Die afrikanische Migration nach Europa"

1. Seit fast 30 Jahren kommen wir - Bischöfe aus Afrika und aus Deutschland - regelmäßig zu Austausch und Gebet zusammen, um die weltweite katholische Gemeinschaft mit Leben zu erfüllen und uns in der Begegnung miteinander gegenseitig zu bereichern. In diesen Tagen haben wir uns in München und Berlin zum VII. Deutsch-Afrikanischen Bischofstreffen versammelt: Bischöfe aus Deutschland, benannt von der Deutschen Bischofskonferenz, und Bischöfe aus allen Teilen Afrikas, entsandt vom Symposium der Bischofskonferenzen aus Afrika und Madagaskar (SECAM). Die tägliche Feier der Eucharistie und des Stundengebets, an der sich viele Gläubige beteiligt haben, bildete die Mitte unserer Zusammenkunft. Der Gottesdienst auf dem "Heiligen Berg" Bayerns in Andechs und die Heilige Messe mit afrikanischen Katholiken in der St. Matthias-Kirche in Berlin beschreiben die kulturelle Vielfalt der katholischen Weltkirche - eine Vielgestaltigkeit, die inzwischen auch die Kirche in Deutschland auszeichnet.

2. Die Migrationsbewegungen unserer Zeit, besonders von Afrika nach Europa, waren das Thema des Bischofstreffens. Dabei stand uns die Verantwortung der Kirche für die Flüchtlinge und Migranten vor Augen. Wir haben das Gespräch mit Wissenschaftlern und Vertretern kirchlicher Hilfswerke aus beiden Kontinenten geführt, um ein vertieftes gemeinsames Verständnis der komplexen Zusammenhänge zu gewinnen. Darüber hinaus suchten wir den Austausch mit wichtigen Repräsentanten des deutschen Staates. In besonderer Weise sind wir dem Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Christian Wulff, dankbar, dass er unsere Delegation zu einem ausführlichen und konstruktiven Gespräch empfangen hat. Mehrfach ist auf Seiten von Politik und Staat das Interesse an weiterem Austausch mit der Kirche in Afrika zum Ausdruck gebracht worden. Gerne werden wir daran anknüpfen.

3. Bei all unseren Überlegungen leitet uns die feste und im Glauben gegründete Überzeugung, dass jeder Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen ist. Er besitzt eine unverlierbare Würde, die auf allen Gebieten und unter allen Umständen Achtung verlangt: im Umgang der Menschen untereinander, im wirtschaftlichen und sozialen Leben der Völker und nicht weniger in den internationalen Beziehungen. Alle gehören zu der einen Menschheitsfamilie. Allen kommen unverletzliche Rechte zu. Wo und wann immer die Grundrechte der menschlichen Person gefährdet sind und missachtet werden, muss die Kirche ihre Stimme erheben.

4. Die Ursachen für die in den zurückliegenden Jahren stark angewachsene Migration von Afrikanern nach Europa sind vielschichtig. Nachwirkungen der Kolonialzeit spielen hier ebenso eine Rolle wie die dramatischen Unterschiede in den Lebensbedingungen. Gerade die afrikanischen Teilnehmer unserer Begegnung wiesen zudem mit Nachdruck auf das Versagen der dortigen Eliten bei der Entwicklung ihrer Länder hin.

5. Die Migration in unserer Zeit bringt für viele betroffene Menschen großes Leid mit sich, und sie ist in den Aufnahme- wie Herkunftsstaaten oft mit beträchtlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen verbunden. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die Wanderung ein Phänomen der gesamten Menschheitsgeschichte darstellt. Migration ist ein treibendes Moment der sozialen, kulturellen und auch der religiösen Entwicklung. Allzu oft werden die wichtigen und förderlichen Beiträge übersehen, die Zuwanderer für die Aufnahmegesellschaften, aber auch für die Länder ihrer Herkunft (z.B. durch Rücküberweisungen) erbringen. Als Bischöfe wissen wir: Migranten bereichern auch das Leben der Kirche.

6. Die Flüchtlinge gehören zu den schwächsten und verletzlichsten Mitgliedern der Menschheitsfamilie. Zu ihrem Schutz sind alle Staaten, rechtlich und moralisch, verpflichtet. Es erfüllt uns daher mit Sorge, dass die Praxis des Schutzes der europäischen Außengrenzen (u.a. durch FRONTEX) erhebliche menschenrechtliche Probleme aufwirft. Wir fordern: Asylbegehren müssen zugelassen und angemessen geprüft werden. Und auch die Abschiebung derjenigen, die aufgrund der Gesetze keinen Anspruch auf Aufenthalt in Europa haben, muss humanitären Standards entsprechen.

7. Auch Menschen, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft für sich und ihre Familien den Weg nach Europa wagen, dürfen nicht pauschal verdächtigt und diffamiert werden. Gerade Europäer sollten sich daran erinnern, wie viele ihrer Vorfahren in vergangenen Jahrhunderten und nach dem Zweiten Weltkrieg in alle Welt ausgewandert sind. Richtig ist aber auch, dass Arbeitsmigration einer klugen und gerechten Steuerung bedarf, damit negative Folgen für Herkunfts- und Aufnahmeländer vermieden werden. Die europäischen Staaten sollten deshalb verstärkt über Modelle einer temporären oder zirkulären Migration nachdenken, die sowohl den Interessen der beteiligten Staaten als auch den betroffenen Menschen dienen können.

8. Langfristiges Ziel muss es sein, unfreiwillige, durch Not oder Perspektivlosigkeit erzwungene Migration zu vermeiden. Dazu bedarf es einer solidarischen Form der Globalisierung, die sich nicht zuerst an den Gewinninteressen von Einzelnen oder Konzernen, sondern an den Entwicklungschancen der Menschen und der Völker orientiert. Europa und Afrika bedürfen einer gleichberechtigten Partnerschaft - ein Anspruch, der in der bisherigen politischen Kooperation nicht eingelöst ist.

9. Auch in ihrer pastoralen Arbeit muss die Kirche der Situation der Migranten künftig noch größere Aufmerksamkeit widmen. Katholische Zuwanderer sind auch im Aufnahmeland gleichberechtigte Mitglieder der Ortskirche. Sie haben Anspruch darauf, ihre religiös- kulturelle Prägung im Leben der Kirche zum Ausdruck zu bringen. Pastorale Mitarbeiter müssen in ihrer Aus- und Fortbildung lernen, angemessen mit dieser Vielfalt umzugehen. Kirchliche Curricula und Lehrbücher sollten entsprechend angepasst werden.

10. In ihrer Zuwendung zu den Migranten unterscheidet die Kirche nicht zwischen legalem und illegalem Aufenthalt, auch wenn sie um die Problematik der irregulären Zuwanderung weiß. Jeder hat das Recht auf pastorale Begleitung. Deshalb erwartet die Kirche von den staatlichen Stellen, dass der Raum der Seelsorge auch für irreguläre Migranten uneingeschränkt erhalten bleibt.

11. Um als Weltkirche zu leben und den berechtigten Ansprüchen der Migranten gerecht werden zu können, ist die Kirche überall auf die Mitarbeit ausländischer Priester, Ordensleute und Laien angewiesen. Wir bitten deshalb die Staaten, deren Aufenthalt in Gastländern und ihrem Wirken in den dortigen kirchlichen Einrichtungen wohlwollend zu begegnen.

12. Wir wissen um Sorgen und Ängste von Menschen, die sich in das zunächst ungewohnte Zusammenleben mit Fremden einüben müssen. Probleme müssen offen angesprochen werden, ohne Ressentiments populistisch auszubeuten. Hier sind große Klugheit und Sensibilität geboten. Wir Bischöfe aus Afrika und Deutschland erneuern zugleich unseren festen Willen, dem Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit überall auf der Welt entschlossen entgegenzutreten. Nur so kann eine gute Zukunft für alle gewonnen werden.

Berlin, den 1. April 2011

Erzbischof Dr. Ludwig Schick, Bamberg
Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz

Polykarp Kardinal Pengo, Daressalam (Tansania)
Präsident von SECAM

weitere bischöfliche Teilnehmer von afrikanischer Seite
Théodore Adrien Kardinal SARR (Sénégal), stellv. Vorsitzender von SECAM
Erzbischof Gabriel MBILINGI (Angola)
Erzischof C. Gabriel PALMER-BUCKLE (Ghana)
Erzbischof Simon NTAMWANA (Burundi)
Erzbischof Maroun LAHHAM (Tunesien)
Bischof René-Marie EHUZU (Bénin)
Bischof Marc Benjamin RAMASORON, c.m. (Madagascar)
Bischof Sithembele SIPUKA (South Africa)

weitere bischöfliche Teilnehmer von deutscher Seite
Reinhard Kardinal MARX (München-Freising), stellv. Vorsitzender Kommission Weltkirche
Bischof Dr. Heinrich MUSSINGHOFF (Aachen)
Bischof Norbert TRELLE (Hildesheim), Vorsitzender der Migrationskommission
Weihbischof Dieter GEERLINGS (Münster)
Weihbischof Dr. Bernhard HAßLBERGER (München-Freising)
Weihbischof Dr. Hans-Jochen JASCHKE (Hamburg)
Weihbischof Matthias KÖNIG (Paderborn)
Weihbischof Thomas Maria RENZ (Rottenburg-Stuttgart)

Vertreter aus den Kirchen Europas
Erzbischof Paul CREMONA (Malta)
Fr. Duarte DA CUNHA (St. Gallen), CCEE
Fr. Piotr MAZURKIEWICZ (Brüssel), ComECE

Gäste
Erzbischof Dr. Jean-Claude Périsset (Berlin), Apostolischer Nuntius
Bischof Dr. Gerhard Ludwig MÜLLER (Regensburg)
Weihbischof Dr. Matthias HEINRICH (Berlin)


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 051 vom 4. April 2011
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2011