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KIRCHE/511: Zur Frage einer Änderung des Stammzellgesetzes (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 16.07.2007

Statement des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz, P. Dr. Hans Langendörfer SJ, zur Stellungnahme des Nationalen Ethikrates "Zur Frage einer Änderung des Stammzellgesetzes" vom 16. Juli 2007


Heute hat der Nationale Ethikrat eine Stellungnahme "Zur Frage einer Änderung des Stammzellgesetzes" veröffentlicht. Sie enthält drei unterschiedliche Voten. Ausgangspunkt des Textes ist die von forschungspolitischer Seite aufgeworfene Frage, ob das "Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen" von 2002 zu ändern ist, vor allem im Hinblick auf die so genannte "Stichtagsregelung".

Die Deutsche Bischofskonferenz warnt eindringlich vor einer weiteren Aufweichung des Embryonenschutzes. Wir erinnern an das Ziel, das der Gesetzgeber verfolgt: den Schutz menschlicher Embryonen vor Zerstörung und vor Nutzung zu Forschungszwecken. Dieses Ziel darf nicht aus dem Blick geraten. Dem Embryo sind Lebensrecht und uneingeschränkter Lebensschutz vom Zeitpunkt der Befruchtung an geschuldet. Jede andere Prämisse, die etwa den Lebensbeginn zu einem späteren Zeitpunkt ansetzt oder dem frühen Embryo den Lebensschutz nur in abgestufter Weise zugesteht, stößt auf grundlegende ethische Bedenken. Zur Gewinnung menschlicher embryonaler Stammzellen müssen Embryonen getötet werden. Die Förderung selbst hochrangiger Forschungsinteressen darf unter keinen Umständen dazu führen, dass embryonale Menschen verzweckt werden. Man darf nicht den Lebensschutz der Forschungsfreiheit unterordnen.

Es gibt keinen Grund für eine Abkehr von langfristigen Wertentscheidungen unserer Rechtsordnung. Auf ihrer Basis hat das Embryonenschutzgesetz dem Zugriff der Forschung auf das Leben menschlicher Embryonen klare Grenzen gesetzt (vgl. Schlusssatz Zusatzvotum zum 2. Votum), auch wenn der Lebensschutz embryonaler Menschen schon durch das geltende Stammzellgesetz nicht umfassend gewährleistet wird.

Gewiss gehen alle drei Voten der Stellungnahme des Nationalen Ethikrats vom Schutzgedanken des Gesetzes aus: der Verpflichtung des Staates, die Menschenwürde und das Recht auf Leben zu achten und zu schützen. Doch verlässt das erste Votum deutlich diesen Schutzgedanken, wenn sich die 14 Unterzeichner dafür aussprechen, die Stichtagsregelung abzuschaffen. Stattdessen schlagen sie eine Einzelfallprüfung im Genehmigungsverfahren des Imports und der Verwendung embryonaler Stammzellen vor.

Die Strafbewehrung bei Zuwiderhandlung soll abgeschafft werden. Verstöße gegen die Genehmigungsvoraussetzungen sollen nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, Forschungsmöglichkeiten sollen über die Grundlagenforschung hinaus ausgeweitet werden. Dieses Votum ist nicht einmal mehr in Übereinstimmung mit der Linie des Stammzellgesetzes. Die Abschaffung des Stichtags kommt der Erlaubnis einer Embryonen verbrauchenden Forschung nahe. Auch eine Einzelfallprüfung ist keine geeignete Lösung, da sie in der Umsetzung erhebliche Interpretationsspielräume eröffnet und keinen einheitlichen und umfassenden Schutz von Embryonen gewährleistet.

Gegen eine solche Aufweichung des Stammzellgesetzes spricht sich das zweite Votum aus, das von neun Mitgliedern des Nationalen Ethikrates unterzeichnet ist. Wörtlich merken sie an: "Der dem Stammzellgesetz zugrunde liegende Gedanke, dem nicht mehr zu verhindernden Unrecht (Zerstörung menschlicher Embryonen) kein neues Unrecht hinzuzufügen, würde damit ad absurdum geführt und das Gesetz in seiner Substanz ausgehöhlt werden." Sie votieren zwar für eine Überprüfung des Stammzellgesetzes, aber gegen die Verschiebung des Stichtages.

Zwar ist die zweite Gruppe in dieser grundlegenden Position einig, aber in den Handlungsoptionen geht sie auseinander. Ein Teil der Gruppe will das Embryonenschutzgesetz neu beraten und regt an, über die "Verwendung" so genannter "überzähliger Embryonen" zu diskutieren, die es nach geltendem Recht (Embryonenschutzgesetz) gar nicht gibt und aus ethischer Perspektive auch nicht geben darf. Der andere Teil der Gruppe macht demgegenüber richtigerweise deutlich, dass er eine Verschiebung des Stichtages aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnt, weil so der Schutz menschlichen Lebens noch weiter zur Disposition gestellt wird, als es durch das geltende Stammzellgesetz ohnehin bereits geschieht.

Der zweite Erfahrungsbericht der Bundesregierung über die Durchführung des Stammzellgesetzes kommt zu dem Ergebnis, dass "durch das Stammzellgesetz ... die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen in Deutschland ermöglicht (wurde), ohne den Schutz menschlicher Embryonen nach dem Embryonenschutzgesetz einzuschränken." Abschließend heißt es dort: "Die gesetzlichen Regelungen über die Einfuhr und Verwendung von humanen ES-Zellen zu Forschungszwecken, das Genehmigungsverfahren und die Einbeziehung einer zentralen Ethik-Kommission für Stammzellforschung haben sich bewährt." Es gehört zu den Zielen des Stammzellgesetzes, dass in Deutschland kein Anreiz zur Tötung menschlicher Embryonen bestehen darf. Das muss auch in Zukunft so bleiben, zumal die Förderung alternativer, ethisch unbedenklicher Methoden auf dem Weg zu neuen Möglichkeiten von Therapie und Heilung (z. B. die verstärkte Forschung an adulten Stammzellen) noch längst nicht ausgeschöpft ist.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 050 vom 16. Juli 2007
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2007