Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → CHRISTENTUM

KIRCHE/629: Eindrücke von der "Lambeth-Konferenz" (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion 9/2008

Trotz Gegensätzen zusammengeblieben
Eindrücke von der "Lambeth-Konferenz" der anglikanischen Bischöfe

Von Roland Hill


Anfang August ging die Lambeth-Konferenz zu Ende, zu der anglikanische Bischöfe aus aller Welt zusammengekommen waren. Ein Konsens in den strittigen Fragen von Moral und Kirchenordnung war von vornherein nicht zu erwarten. Bis auf weiteres will man aber zusammenbleiben. Die Anglikanische Gemeinschaft ist weiterhin eine große Baustelle.


*


Die in Zehn-Jahres-Abständen tagende Lambeth-Konferenz der anglikanischen Weltgemeinschaft endete Anfang August, ohne dass es zu dem erwarteten offenen Bruch kam zwischen den liberal gesinnten Befürwortern von Bischofweihen für Frauen und Homosexuellen und ihren konservativen Gegnern. Für den Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, dem die Planung und der Vorsitz des 20 Tage dauernden Treffens oblag, war dies geradezu ein Erfolg, wenngleich wohl auch nur ein Pyrrhussieg. Sein erleichtertes Lächeln besagte kaum mehr als "Da bin ich noch einmal davongekommen." Es erinnerte in etwa an das Winston Churchill-Wort: "To jaw-jaw is better than to war-war" (Quatschen ist besser als einander bekriegen).

Anglikanisch bedeutet das "durchwursteln und weitermachen." Die Lambeth-Gründungsväter hatten es 1867 bereits vorausgeahnt mit ihrer Formulierung, die Konferenz solle "brüderliche Beratung und allerseitige Ermutigung" sein, aber "keine Verabschiedung von Glaubenserklärungen oder was sonst den kirchlichen Machtinteressen schaden könnte". So fand man sich diesmal damit ab, dass nur etwa 670 Bischöfe aus aller Welt anwesend waren. Ein Viertel der anglikanischen Bischöfe, insgesamt 250 zumal afrikanische, kamen nicht, im Protest gegen die westlich-liberale Mehrheit. Das konnte das von Rowan Williams verkündete Prinzip nicht stärken: "Unsere Verschiedenartigkeit beruht anstatt auf zentralisierter Kontrolle auf Zustimmung - Zustimmung auf der Grundlage eines seriösen gemeinsamen Befunds ortskirchlicher Abweichungen. Katholizität heißt allgemein sich des anderen bewusst bleiben."

Nach vorangegangenen Exerzitien fanden die Gespräche in kleinen Gruppen von je acht statt, zu Bibelstudien, wogegen im Kreis von je 40 Aspekte des bischöflichen Amtes und seiner Ressourcen behandelt wurden. Unter Beteiligung der Frauen der Bischöfe wurden internationale und ökumenische Themen debattiert. Kritikern kam dies einer "Vernebelungstaktik" gleich, die indes nicht aus England stammte, sondern aus dem "Indaba"-System der Zulus. Wie Erzbischof Thabo Makgoba von Kapstadt erläuterte, habe es sich bewährt, unter dem Vorsitz der Häuptlinge Vergehen von Stammesmitgliedern durch die Dorfältesten gründlich abwägen zu lassen. Natürlich nicht mit Abstimmung, wie auch die Medien ausgeschlossen blieben, vielleicht in Abwehr ihres "Bösen Blicks".


Kaum Resonanz in der Öffentlichkeit Der dem Primas wohlgesonnene konservative "Daily Telegraph" befand es als ganz "unenglisch", mit dem Kopf durch die Wand rennen zu wollen. Das Positive am Anglikanismus sei seine Bereitschaft, ein erstaunliches Ausmaß an heterodoxem Lehrgut im Rahmen allseits geteilter politischer und liturgischer Normen hinzunehmen. "Dies entspricht dem Geist unseres Landes und es wäre bedauerlich, wenn dieser dem fehlenden Fünkchen von Nächstenliebe geopfert werden müsste." Aber das Fünkchen kam kaum zum Vorschein. "Die unsinnigste und teuerste Agenda, der ich je beigewohnt habe" urteilte Bischof Richard Ellena von Nelson (Neuseeland) - die Kosten werden auf 7 Millionen Pfund geschätzt.

So nahm die als nach-christlich zu betrachtende britische öffentliche Meinung dann auch so gut wie keine Notiz von der Konferenz. Ausnahme war ein eindrucksvoller Demonstrationszug der Hunderte von purpurviolett gekleideten Prälaten und ihrer Frauen durch Whitehall und Westminster, unter Beteiligung auch des katholischen Primas, Kardinal Murphy-O'Connor. Der Zweck war, zum Kampf gegen globale Armut aufzurufen und die Zahl derjenigen, die mit weniger als einem Dollar am Tag auszukommen haben, bis 2015 wenigstens um die Hälfte zu reduzieren. Der britische Premierminister Gordon Brown versprach der Aktion seine Unterstützung. Nachdem den in Canterbury tagenden Bischöfen eine reichliche tägliche Kost bestehend aus warmem Frühstück sowie zwei weiteren Mahlzeiten von je drei Gängen geboten war und darüber hinaus im Freien noch ein zusätzliches Barbecue, mochte es einem Karikaturisten erlaubt gewesen sein, einen Bischof mit dem Ausruf "Ich marschiere zur Verdauung meines Mittagessens gegen Armut", zu portraitieren.

Dass die Staatskirche an der Einsetzung weiblicher oder homosexueller Bischöfe zerbrechen könnte, ließ die öffentliche Meinung kalt. Gläubige Christen anderer Konfessionen mochten eher noch Verständnis dafür haben, wie schwierig es in Teilen Afrikas für Christen sein muss, islamischen Fanatikern und überlieferten Stammessitten gegenüber dafür einzustehen, dass ein Mann mit nur einer Frau verheiratet sein solle.

Erzbischof Williams fand sich wiederholten Angriffen zumal des Erzbischofs von Uganda, Henry Orombi, ausgesetzt, für den Lambeth nur mehr "Überbleibsel eines imperialen Kolonialismus" ist. Nigeria allein kann heute auf eine den englischen Anglikanern um das Vierzigfache überlegene Zahl an Gläubigen verweisen, was Orombi dazu bewog, Rowan Williams des "Verrats" zu bezichtigen, weil er Amtskollegen eingeladen hatte, die den in einer homosexuellen Beziehung lebenden amerikanischen Bischof Gene Robinson von New Hampshire geweiht hatten. Für Orombi sind sie in biblischem Sinne "verdammt", für den Erzbischof von Kenia ist mit ihnen der Teufel in die Kirche eingezogen.


Der faktischen Spaltung entgegentreten

Als Stein des Anstoßes war Robinson selbst zwar nicht eingeladen, aber dennoch erschienen, um sich überall zu zeigen und einen Gottesdienst für Homosexuelle außerhalb der Kathedrale von Canterbury abzuhalten, nachdem Erzbischof Williams dort gerade feierlich eingezogen war. Der 61-jährige Robinson erfreute sich der Unterstützung von etwa 30 Bischöfen der mächtigen und reichen amerikanischen Episkopalkirche, zumal seiner Mitkämpfer aus der Gruppe "Pro-Gay-Integrity USA". Mit Anspielung auf den einst in Canterbury ermordeten Erzbischof Thomas Becket sagte er: "Ich fühle mich zwar nicht zum Märtyrer geboren, aber durch einen Zufall der Geschichte zu so etwas wie einem Symbol."

Vergebens war Rowan Williams bemüht, die Amerikaner zur Mäßigung zu nötigen, nicht zuletzt, Trauungen homosexueller Paare künftig ihren Segen zu verweigern. Die sich gegen Robinson auflehnenden amerikanischen und kanadischen Anglikaner könnten vielleicht noch dazu überredet werden, mit den afrikanischen Konservativen wenigstens im Gespräch zu bleiben. Andererseits geht es offenbar um einen generellen Trend. Auch in London fand kürzlich die an sich verbotene Trauung von zwei homosexuellen Geistlichen statt und zwar in der alten St. Bartholomäus-Kirche in der Londoner City und erregte entsprechendes Ärgernis, nachdem dabei noch dazu das offizielle "Book of Common Prayer" (mit Formulierungen wie "Mit meinem Körper will ich dich ehren") verwendet wurde. Danach sagte der amtierende Pfarrer: "Mir war es, als ob Jesus unter den Gläubigen gewesen sei."

Führende englische Bischöfe, darunter Michael Scott-Joynt, haben Rowan Williams während der Lambeth-Konferenz aufgefordert, der faktischen Spaltung innerhalb des Anglikanismus im Interesse des überlieferten Glaubens entgegenzutreten. Aber auch die anglikanischen Konservativen sind untereinander uneins. So waren einige ihrer bekannten Persönlichkeiten der vorangegangenen Jerusalem Konferenz ferngeblieben, die mit Lambeth als "Gafcon" (Global Anglican Future Conference) rivalisieren wollte (vgl. HK, August 2008, 385ff.). Unter ihnen war der Primas von Südostasien, John Chew sowie Mouneer Anis, leitender Bischof von Jerusalem und Schatzmeister der "globalen Südgruppe" konservativer anglikanischer Provinzen. Aber auch andere Teilnehmer von "Gafcon" sind keineswegs so einmütig, wie sie ihrer Klientel gegenüber auftreten möchten.

Darüber hinaus meinte die amerikanische Bischöfin Catherine Roskam von New York, den afrikanischen Konservativen vorhalten zu müssen, dass auch lautere Christen unter ihnen nichts dabei fänden, ihre Frauen zu verprügeln und häusliche Gewalttätigkeit bei ihnen die Regel sei. Es überraschte wohl auch nicht mit anzusehen, dass einige afrikanische Bischofsfrauen anscheinend gewohnt waren, als Kofferträger ihrer Männer zu fungieren.

Jane Williams, die Gattin des Primas, versah die nützliche Aufgabe, ihren Mann bei einer eigenen Konferenz für die Bischofsfrauen zu unterstützen und auf deren Bedeutung nicht nur im allgemeinen kirchlichen Leben zu verweisen, sondern auch in Aids-Bekämpfungsaktionen, Finanz- und Schulungsprojekten usw. "Sollten diese Frauen je in Streik treten, müsste die Kirche praktisch ihre Tore schließen", sagte sie.

In Anbetracht der Machtlosigkeit des Erzbischofs von Canterbury als bloßem primus inter pares war eine Intervention des britischen Oberrabbiners, Sir Jonathan Sacks, bemerkenswert: Er sprach zu den Bischöfen aus dem "jüdischen Buch der Tränen" und betonte, dass der allgemeine Glaubensverlust als Schlüsselfaktor des heutigen Zusammenbruchs jeglicher Beziehungen, der ehelichen nicht weniger als der allgemein gesellschaftlichen, anzusehen sei und dazu führe, dass Menschen sich als verletzbar und alleinstehend empfänden. Das sei die Wurzel des Konflikts unter den Konfessionen wie auch innerhalb dieser. Vergangenes könne jedoch wieder gutgemacht werden, sagte Sacks, und verwies als Vorbild auf den britischen "Rat der Juden und Christen". Die in den vierziger Jahren gegründete, anfangs auch im Vatikan verpönte Organisation habe seither aus Anglikanern, Katholiken und Juden "einander liebende Freunde" gemacht. Das sei auch anderen wie Sikhs, Hindus und Moslemen gegenüber wünschenswert. "Wenngleich diese nicht unseren Glauben teilen, so doch unser Schicksal, und statt einander zu befehden, sollten sie sich zur gemeinsamen Bekämpfung von Hunger, Krankheit und Umweltkatastrophen zusammentun."

Rom hat dem Erzbischof von Canterbury seine Unterstützung nicht versagt, so sehr die ökumenischen Beziehungen auch unter der Krise des offiziellen theologischen Dialogs (ARCIC) im Gefolge des einseitigen anglikanischen Votums für Priester- und Bischofsweihen von Frauen leiden mussten. Letztere Entscheidung auf der anglikanischen Generalsynode im Juli dürfte bis 2015 zu den ersten Bischofsweihen von Frauen in der Church of England führen, nachdem diese in den USA schon seit den siebziger Jahren eingeführt wurden.


Starke katholische Präsenz

Als erster anglo-katholischer Gegner hat inzwischen der Bischof von Ebbsfleet, Andrew Burnham, angekündigt, samt einigen ihm unterstehenden Gemeinden zur katholischen Kirche übertreten zu wollen. Bischof Burnham war einer der sogenannten "fliegenden Bischöfe", die anglo-katholische, gegen weibliche Priester eingestellte Gemeinden betreuen sollten. In deren Namen hat er in Rom kürzlich Verhandlungen angebahnt, im Interesse einer möglicherweise entgegenkommenden Regelung bei den nicht umkomplizierten Problemen solcher Massen-Konversionen.

Auf der Lambeth-Konferenz fehlte es auch nicht an katholischer Präsenz. Stärker denn je war die katholische Kirche mit einer zehnköpfigen Delegation vertreten. Dazu gehörten, von Rowan Williams persönlich eingeladen, der ehemalige Dominikanergeneral Timothy Radcliffe, der auch unter den Anwärtern auf die Nachfolge des Kardinal-Erzbischofs von Westminster genannt wird, Guido Dotti, italienisches Mitglied der ökumenischen Gemeinschaft von Bose, sowie Kardinal Ivan Dias, Präfekt der Kongregation für die Evangelisation der Völker. Letzterer hielt es für nötig, die anglikanischen Bischöfe wegen ihrer "missionsbelastenden" Uneinigkeit zu rügen und ungeschickt, gönnerhaft, gefühllos und beschämend als "spirituell alzheimerisch" oder gar als "kirchliche Parkinson"-Kranke zu bezeichnen. Das führte sofort zu einer verdienten Retourkutsche seitens des Verbands der Interessenvertreter der Millionen Demenzkranker.

Taktvoller verhielt sich Kardinal Walter Kasper, Präsident des Rates zur Förderung der christlichen Einheit, und verdiente sich auf einem Spaziergang mit dem charismatischen Erzbischof von York, John Sentamu, zweiter in der englisch-anglikanischen Hierarchie, das Kompliment, "nicht zu den Fremden, sondern zu den Freunden zu gehören." Kardinal Kasper gab dem katholischen Wunsch Ausdruck, dass die anglikanische Gemeinschaft zusammenbleiben möge und bekräftigte die katholische Ablehnung der Bischofsweihe von Frauen, die auch einer katholischen Anerkennung der anglikanischen Weihen (seit deren Verurteilung in der Bulle Apostolicae curae Leos - XIII. 1896) im Wege stehe.

Die katholische Kirche fühle sich an den Willen Jesu Christi gebunden und sei nicht frei, eine neue Tradition, die der Kirche aller Zeiten fremd sei, zu begründen. Die Weihen von Frauen würden auch einer Abweichung von der Praxis aller Kirchen des ersten Jahrtausends, darunter der Ost- und orthodoxen Kirchen, gleichkommen. "Wir würden darin eine anglikanische Hinwendung in die Nähe der protestantischen Kirchen des 16. Jahrhunderts sehen."

Dagegen hat Gary Macy, Theologieprofessor an der Santa Clara Universität, Kalifornien, auf einige historische Beispiele von Äbtissinnen verwiesen (The Tablet, 9.7.2008), darunter Matilda, die 999 gestorbene Tochter Otto I., sowie im 11. Jahrhundert die spanische Zisterzienseräbtissin von Las Huelgas bei Burgos, die ihren Ernennungen nach im bischöflichen Rang standen und mit Mitra und Bischofsstab ausgestattet waren. Dem bischöflichen Status der Äbtissinnen von Las Huelgas setzte Pius IX. nach 700 Jahren mit dem Dekret Quae diversa ein Ende. Andere bekannte Äbtissinnen mit bischöflicher Gewalt waren die von Jouarre und Fontevraud in Frankreich, Quedlinburg und Essen in Deutschland und Conversano in Italien. Macy zufolge werde die katholische Kirche, was immer sie zur Priesterweihe von Frauen entscheiden werde, zumindest nicht die Vergangenheit als Argument dagegen anführen können.


Mehr Verbindlichkeit verabredet

Seitens der englischen Katholiken gab die Wochenzeitschrift "The Tablet" der Hoffnung Ausdruck, dass man sich in Rom heutzutage den Anglikanern gegenüber weniger hochtrabend verhalten werde als einst noch unter der Belastung der Katholikenverfolgungen. Die Kritik von Kardinal Dias sowie von Kardinal Murphy O'Connor an Priesterweihen für Frauen ("Wenn Anglikaner einander darüber in die Haare geraten und unfähig sind, ihr Amt untereinander anzuerkennen, wie könnten wir es tun?") brachte den anglikanischen Bischof von Puerto Rico, Peter Alvarez, in Harnisch: Das gute Verhältnis beider Kirchen habe unter Benedikt XVI. gelitten durch Überbewertung von weiblichen und homosexuellen Priesterweihen, sagte er.

Erzbischof Williams will immerhin nach wie vor eine anglikanische Glaubensmitte wahren. So wurde, nach seinem offiziellen Aufruf, von weiteren Bischofsweihen von Homosexuellen Abstand zu nehmen, andererseits und eindeutig mit seiner Billigung ein Privatbrief von ihm veröffentlicht, den er 2002 an Deborah Pitt, eine evangelikale Christin, geschrieben hatte, also noch kurz vor seiner Bestellung zum Primas. Darin wendet er sich gegen die traditionelle, auf dem alten Testament beruhende Bewertung von Homosexualität als sündhaft. Wörtlich heißt es darin: "Ein aktives Verhältnis zwischen zwei Personen desselben Geschlechts kann somit die Liebe Gottes widerspiegelnd, der Ehe vergleichbar sein, vorausgesetzt, so betone ich, dass ihr derselbe Charakter absolut versprochener Treue innewohnt. Die Kirche hat ihre Standpunkte verschiedentlich geändert - zumal bei Geldverleih mit Profit und hinsichtlich der moralischen Billigung von Empfängnisverhütung. Und so frage ich mich, ob es sich da nicht um eine ähnliche Frage handelt."

In sofortiger Reaktion seitens des konservativen Lagers erklärte Erzbischof Greg Venables, der der anglikanischen Kirche im südlichen Lateinamerika vorsteht, der Brief bestärke die Unfähigkeit von Rowan Williams, die Kirche vor dem Schisma bewahren zu können: "Einigkeit ohne Wahrheit ist Uneinigkeit." Reverend Rod Steiger, Vorsitzender der "Reform"-Klerikergruppe der Evangelikalen, sagte: "Anstatt die Kirche aus dieser Krise hinauszuführen, verlängert der Erzbischof von Canterbury diese nur, so meinen wir, aus seiner eigenen Verlegenheit, denjenigen, deren Meinung er teilt, die Leviten lesen zu müssen." Es ist jedenfalls nicht das erste Mal, dass Erzbischof Williams zum Rücktritt aufgefordert wurde. Im Februar hatte er sich bereits in ähnlicher Weise mit dem Ansinnen, das Scharia-Recht offiziell bei den in Großbritannien lebenden Muslimen anzuwenden, den Mund verbrannt.

Die 140 amerikanischen Bischöfe, die sich ungern einschüchtern lassen, waren in der Lambeth-Konferenz zumindest genötigt, still zu sitzen und mit anzuhören, welches Leid sie allerseits verursacht hätten. Der die amerikanischen Bischöfe in Europa vertretende Pierre Whalon sagte, sie seien zwar kampfbereit gekommen, hätten es sich dann aber reiflich überlegt und im Bewusstsein, allen überlegen zu sein, Zurückhaltung gewahrt. Als Held des Tages wurde Bischof Sebastian Dakars von Harare in Zimbabwe gefeiert, dessen Kirche von Mugabes Polizei letzten November geschlossen wurde, was die von der Kommunionbank weggezerrten Gläubigen nicht davon abhielt, anderswo zusammenzutreffen.

Insgesamt billigte eine Mehrheit der Bischöfe Pläne für ein Bündnis ("covenant") seitens der autonomen Provinzen zu einer Reihe von Verpflichtungen und Glaubensentscheidungen, des weiteren auch für ein Pastoralforum unter dem Vorsitz des Erzbischofs von Canterbury zum Eingreifen in Krisen und zum Schutz von mit ihren Bischöfen im Konflikt befindlichen Gemeinden oder Diözesen. Die schwierigsten und umstrittensten Maßnahmen sind Moratorien im Sinne der Bereitschaft, "sich zu vergleichen" im Blick auf die kirchlichen Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren, die Weihen von Homosexuellen zu Bischöfen sowie bischöfliche Interventionen in anderen Diözesen.

Was das praktisch bedeutet, ist die Feststellung: "Innerhalb einiger unserer Gemeinschaften ist das homosexuelle Verhältnis verrufen, in anderen Sache von Menschenrechten." Das Dutzend Rezepte, wie man sich zu verhalten habe, umfasst so gut wie alles von "Wenn dir dein Auge Ärgernis schafft, reiß es aus" bis zum "Lass' uns noch mal darüber reden." Insgesamt hätte es wohl noch schlimmer ausgehen können!


*


Roland Hill (geb. 1920), langjähriger Englandkorrespondent deutscher und österreichischer Tageszeitungen, lebt in London. 2000 veröffentlichte er eine umfangreiche Biographie von Lord Acton, deren deutsche Übersetzung im Verlag Herder erschienen ist.


*


Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
62. Jahrgang, Heft 9, September 2008, S.475-479
Anschrift der Redaktion:
Hermann-Herder-Straße 4, 79104 Freiburg i.Br.
Telefon: 0761/27 17-388
Telefax: 0761/27 17-488
E-Mail: herderkorrespondenz@herder.de
www.herder-korrespondenz.de

Die "Herder Korrespondenz" erscheint monatlich.
Heftpreis im Abonnement 10,40 Euro.
Das Einzelheft kostet 12,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2008