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KIRCHE/833: "Mauerfall mahnt Deutsche zur Solidarität" (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 9.11.2009

"Mauerfall mahnt Deutsche zur Solidarität"

Kirchen feiern ökumenischen Gottesdienst zum 20. Jahrestag des Mauerfalls


Mit einem festlichen ökumenischen Gottesdienst ist am Montag in der Berliner Gethsemane-Kirche des Mauerfalls am 9. November 1989 gedacht worden. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, rief in seiner Predigt dazu auf, "gemeinsam in Ost und West, in Geduld und Ausdauer weiter Brücken zueinander zu bauen." Der Mauerfall mahne die Deutschen außerdem "zur fortdauernden Solidarität mit den Menschen und Völkern, die in Unfreiheit leben müssen." Sie hätten als größer gewordenes Land die Aufgabe, "zu einem Europa beizutragen, das verlässlich der Verständigung unter den Völkern und Staaten dient."

"Die Erinnerung an den 9. November 1989 und nicht weniger die Erinnerung an die schrecklichen Geschehnisse der Reichspogromnacht am 9. November lehren uns unmissverständlich: Mauern - ob real oder in den Köpfen der Menschen - lösen keine Probleme. Im Gegenteil: Sie schaffen Probleme. Sie verbauen Zukunft", sagte Zollitsch und warnte vor "potentiellen Mauerbauern", die es auch heute noch gebe. "Sie sollten nicht das Sagen haben, weder in der Gesellschaft noch in den Kirchen."

Der Erzbischof betonte die Rolle der Kirchen beim Mauerfall und erinnerte daran, dass "das Montagsgebet in der damaligen DDR neben den Gläubigen auch Kirchenfernen und Ungetauften die Kraft und den Mut für die Montagsdemonstrationen gegeben" habe. "Gerade die Kirchen, die sich in Gemeindearbeit und Seelsorge der Menschen konkret annahmen, wussten um die Gewissenskonflikte und Alltagsnöte, denen damals viele im Osten ausgesetzt waren."

Erzbischof Zollitsch wies in seiner Predigt weiter darauf hin, dass "letztlich der Ruf der Massen nach Freiheit" dem DDR-Staat ein Ende machte. Die Demonstrationen im Oktober 1989 offenbarten "das Verlangen der Menschen, endlich ein Leben in Wahrheit, ohne Lüge und Verbiegung führen zu können". Und dennoch sei Freiheit kein Selbstläufer, oftmals sei Freiheit auch unbequem. "Sie will immer wieder neu bejaht und wachsam behütet werden", sagte der Erzbischof.

Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Dr. Wolfgang Huber, legte in seiner Hinführung das Motto "Wachet und betet" aus, dass schon damals vor zwanzig Jahren über dem Eingang der Gethsemanekirche angebracht war: "Wir wollen uns das Wachen und Beten derer in Erinnerung rufen, die hier vor zwanzig Jahren zusammenkamen. Daran denken wir in großer Dankbarkeit. Damals haben Menschen die Zeichen der Zeit verstanden, Zivilcourage gezeigt, der Einschüchterung Widerstand entgegengesetzt. Und das ohne Gewalt, mit Kerzen und Gebeten. Schließlich war der Weg frei. Heute wollen wir die Freiheit bewahren, die damals erkämpft wurde."

Huber erinnerte auch an die Unterdrückung, die die Bürgerrechtler damals erfuhren: "Die Gethsemanekirche ist Zeugin nicht nur für Szenen des jubelnden Umbruchs. Hier gab es auch - wie im Garten Gethsemane - Stunden der Verzweiflung. Hart trafen Zivilcourage und Freiheitsgeist auf die rohe Reaktion der DDR-Staatsgewalt. Mehr als fünfhundert Menschen wurden hier verhaftet und zum Teil mehrere Wochen festgehalten."

In Bezug auf die Situation heute führte Bischof Huber aus: "Unsere Aufgabe ist es, in der Freiheit zu bestehen, die uns geschenkt wurde. Deshalb zünden wir auch heute Kerzen an. Sie sind Zeichen dafür, dass keine und keiner verloren gehen soll. Gerade im Osten Deutschlands finden wir uns deshalb mit einer verbreiteten Arbeitslosigkeit nicht ab. Denn sie ist nicht die Freiheit, zu der die Menschen aufbrechen wollten. Wachsam achten wir darauf, unter welchen Mänteln sich rechtsextremes Gedankengut tarnt."

Schließlich warnte Huber vor dem Vergessen: "Wachsam sind wir auch, wenn dem Unrecht des SED-Staats der Mantel der Verharmlosung umgehängt wird. Wachsam achten wir darauf, dass Freiheit nicht zur bloßen Floskel verkommt, sondern in wechselseitiger Verantwortung gelebt wird."

Erzbischof Zollitsch und Bischof Huber feierten den Gottesdienst gemeinsam mit dem Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky und Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK). An der ökumenischen Feier nahmen auch Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel und weitere Personen des politischen und öffentlichen Lebens teil.

Hinweis:
Die Predigt von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch finden Sie im Internet unter:
www.dbk.de


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 138 vom 9. November 2009
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2009