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STANDPUNKT/048: Franziskus wagt sich weit vor (Gerhard Feldbauer)


Franziskus wagt sich weit vor

Seine Kritik am Raubbau der Natur durch die Herrschenden steht derzeit einmalig da

von Gerhard Feldbauer, 20. Juni 2015


Mit seiner am Donnerstag veröffentlichten Enzyklika "Laudatio si" - Über die Sorge für das gemeinsame Haus" geht Franziskus weit über seinen bisherigen Kurs, sich kritisch zu den Herrschenden dieser Welt zu äußern, hinaus. Das päpstliche Rundschreiben erscheint ein halbes Jahr vor dem Pariser Klima-Gipfel, der bisher nicht den Eindruck erweckt, einen Ausweg aus der Sackgasse von Kyoto zu suchen. Der Papst demonstriert, dass er als Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken mitzureden gedenkt, wenn um das Leben der Menschen auf dieser Erde geht.

Er postuliert auch diesmal sein Eintreten für die sozial Schwachen, wenn er festhält, dass diese von den Folgen am stärksten betroffen werden und sie sich nicht dagegen schützen können. Wenn er sich hier an Seite der armen Länder stellt, unterstützt er deren Forderungen nach einer "Entschädigung" durch die reichen Staaten. "Die soziale Ungerechtigkeit geht nicht nur Einzelne an, sondern ganze Länder", schreibt er und spricht "eine Ethik der internationalen Beziehungen" an, führt die "ökologische Schuld' zwischen dem Norden und dem Süden an und bringt sie in "Zusammenhang mit Ungleichgewichten im Handel und deren Konsequenzen im ökologischen Bereich wie auch mit dem im Laufe der Geschichte von einigen Ländern praktizierten unproportionierten Verbrauch der natürlichen Ressourcen". Die in der Diskussion befindlichen so genannten Emissionshandelsmodelle vergleicht mit dem Ablasshandel.

Der Papst stellte die Enzyklika nicht selbst vor, sondern beauftragte damit den Kardinal aus Ghana, Peter Turkson, Chef des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Der Heilige Vater übt radikale Kritik an kapitalistischer Entwicklung und spricht von einem "strukturell perversen System", verurteilt den Finanzmarktkapitalismus und fordert soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz. "Die Erde, unser Haus, scheint sich immer mehr in eine unermessliche Mülldeponie zu verwandeln", heißt es. Er führt das Artensterben an und hält fest: "Wer hat die wunderbare Meereswelt in leb- und farblose Unterwasser-Friedhöfe verwandelt?". Das Wachstum der letzten beiden Jahrhunderte habe "nicht in allen seinen Aspekten einen wahren ganzheitlichen Fortschritt und eine Besserung der Lebensqualität bedeutet", vermerkt der Papst und nennt "Symptome eines wirklichen sozialen Niedergangs, eines stillschweigenden Bruchs der Bindungen von sozialer Integration und Gemeinschaft", die er als Ergebnis eines "Nach-mir-die-Sintflut"-Kults bezeichnet. Er ruft auf, die "Klage der Armen" wie die "Klage der Erde" zu hören. "Wenn wir berücksichtigen, dass der Mensch auch ein Geschöpf dieser Welt ist, das ein Recht auf Leben und Glück hat und das außerdem eine ganz besondere Würde besitzt, können wir es nicht unterlassen, die Auswirkungen der Umweltzerstörung, des aktuellen Entwicklungsmodells und der Wegwerfkultur auf das menschliche Leben zu betrachten."

Vatikankenner sehen ein Anknüpfen an Johannes XXIII., der 1961 mit seiner Enzyklika "Mater et magistra (Mutter und Lehrmeisterin) Fragen von Christentum und sozialem Fortschritt ansprach und überholte Leitsätze der katholischen Soziallehre, die die "unerbittliche Hütung des Privateigentums" fixierte, einleiten wollte. Denn streckenweise erweckt "Laudatio si" den Eindruck einer Neu-Interpretation christlicher Glaubengrundsätze, so des Abgehens von der Rolle des Menschen als Beherrscher der Erde. Die "Einladung", sich die Erde zu "unterwerfen", habe die "wilde Ausbeutung der Natur begünstigt". Wenn es dann noch heißt, es sei falsch, aus "dem Auftrag, die Erde zu beherrschen, eine absolute Herrschaft über die anderen Geschöpfe" zu schließen, dann kann das auch auf die größenwahnsinnigen mit kriegerischen Mitteln betriebenen Weltbeherrschungspläne, das Spiel mit dem Feuer der Atomwaffen und die Unterordnung der Mehrheit der EU-Länder unter die Vorherrschaft einer Führungsmacht gerichtet interpretiert werden.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2015

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