Schattenblick → INFOPOOL → RELIGION → MEINUNGEN


STANDPUNKT/070: Weihrauchmelder (Ingolf Bossenz)


Weihrauchmelder

Ingolf Bossenz über das neue Lehrschreiben des Papstes

9. April 2016


Auf 188 Seiten hat Papst Franziskus seine Ansicht »über die Liebe in der Familie« dargelegt und nicht ein einziges handfestes, greif- und anwendbares Konkretum benannt. Doch die Weihrauchmelder funktionieren, wie stets, zuverlässig. Nicht nur der Theologe Wolfgang Beinert ist des Lobes voll: »Er ändert nichts und macht doch alles anders.« Ein kasuistisches Diktum, auf das wohl nur ein katholischer Dogmatikprofessor kommen kann, für den sich noch selbst im dicksten Phrasennebel ein »wirkliches Reformschreiben« abzeichnet. Gar »weitreichende Konsequenzen« für den Umgang von Priestern mit wiederverheirateten Geschiedenen sieht die Deutsche Bischofskonferenz - obwohl Franziskus weiterhin für diese Katholiken keine Kommunion zulässt. Da der »Buchstabe« des Lehrschreibens »Amoris Laetitia« (Die Freude der Liebe) keine Abstriche an der beinharten Haltung Roms macht, beruft man sich auf den »Geist« des Papstpapiers. Dieser, so die Hoffnung, lasse mehr Spielraum im Einzelfall.

Franziskus schreibt, nicht alle »doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen« müssten durch »lehramtliches Eingreifen« entschieden werden. Bisher hat er gar nichts entschieden. In einer autoritären Institution wie der Romkirche, in der Ermessenshandeln nicht zu den traditionellen Tugenden gehört, der sicherste Weg, dass alles beim Alten bleibt.

*

Quelle:
Ingolf Bossenz, April 2016
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen Genehmigung des Autors.
Erstveröffentlicht in Neues Deutschland vom 09./10.04.2016
http://www.neues-deutschland.de/artikel/1007982.weihrauchmelder.html


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang