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STANDPUNKT/077: Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem Werk Gottes - Urteile im Vatileak II-Prozess (Gerhard Feldbauer)


Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem Werk Gottes

Im Vatileak II-Prozess ergingen Freisprüche und milde Urteile

Von Gerhard Feldbauer, 12. Juli 2016


Im sogenannten Vatileak II-Prozess vor dem Gericht des Vatikans sind am Donnerstag vergangener Woche die Angeklagten, der spanische Priester Lucio Ángel Vallejo Balda, früherer Sekretär der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls, und die PR-Managerin des Vatikans, Francesca Chaouqui, zu 18 bzw. zehn Monaten Haft verurteilt worden. Während Chaouqui Bewährung erhielt, kommt der Priester hinter Gitter. Sie hatten als Mitglieder der vom Papst zur Untersuchung der Korruptionsskandale in der Vatikanbank IOR eingesetzten Kommission COSEA vertrauliche Untersuchungsergebnisse an zwei Journalisten weitergegeben, die diese veröffentlichten. Angesichts der von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten Schwere der Vergehen (Verrat geheimer Dokumente) ergingen damit geringfügige Strafen. Die Anklage auf Bildung einer kriminellen Vereinigung wurde zurückgewiesen. Die italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi und Emiliano Fittipaldi sprach das Gericht frei und anerkannte damit die von deren Verteidigung von Anfang an vorgebrachten Argumente der Nichtzuständigkeit des Vatikanischen Gerichts. Freispruch gab es auch für den Sekretär Baldas, Nicola Maio.

La Repubblica gab wieder, dass die beiden Journalisten einen Freispruch nicht erwartet hatten. Fittipaldi sprach von einer "mutigen" Entscheidung des Gerichts, mit der er nicht gerechnet habe. Wie das Blatt weiter berichtete, hob der vorsitzende Richter Giuseppe Dalla Torre ausdrücklich die Garantie der "Freiheit der Meinungsäußerung und der Pressefreiheit durch das Rechtssystem des Vatikans" als "göttliches Gesetz" hervor. Zuvor hatten Journalistengruppen die strafrechtliche Verfolgung ihrer beiden Kollegen kritisiert. Diese hätten nur ihre Arbeit getan, als sie Probleme von öffentlichem Interesse enthüllten.

Der Prozess machte einmal mehr die Franziskus von seinem deutschen Vorgänger, dem Ratzinger-Papst Benedikt XVI. hinterlassenen Finanzskandale publik. Dieser verhinderte schon als Kardinal in den 70er Jahren die Auslieferung von 33 korrupten Finanziers, Unternehmern und hochrangigen Würdenträgern der Kurie, darunter der damalige IOR-Chef Erzbischof Paul Casimir Marcinkus, an die italienische Justiz. Nun deckte die COSEA weitere Skandale auf. Das "Aufspüren" von "heroischen Taten" oder "vollbrachten Wundern" für Selig- und Heiligsprechungen kostete zwischen 500.000 bis 750.000 Euro. 27.000 Personen aus dem Vatikan tankten steuerfrei Benzin, obwohl nur 800 dazu berechtigt waren. Der frühere Kardinalstaatssekretär Benedikts XVI., Tarcisio Bertone, wurde beschuldigt, die Kosten von 400.000 Euro für den Umbau seines 700 Quadratmeter großen Penthauses zur Hälfte aus Spendengeldern der Stiftung des Kinderkrankenhauses "Bambino Gesu" finanziert zu haben.

Obwohl Franziskus gegenüber seinem Vorgänger einen versöhnlichen Kurs betreibt und versucht, mit einigen Korrekturen, Beschwichtigungen und Zugeständnissen an die kritischen Katholiken seine Kirche aus der Krise zu führen, hat er unter den erzreaktionären Klerikern, besonders des Opus Dei (Werk Gottes) viele Gegner. Die als Gotteswerker bekannten Balda und Maio gaben mit Chaouqui Ermittlungsergebnisse der COSEA an die Journalisten Nuzzi und Fittipaldi weiter, die darüber die Enthüllungsbücher "Alles muss ans Licht. Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes" bzw. "Avarizia" (Geiz) veröffentlichten. Nuzzi hatte bereits 2012 in einem Buch "Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Benedikt XVI" Interna veröffentlicht und damit "Vatileaks I" ausgelöst. Damals wurde sein Informant, ein Kammerdiener von Ratzinger, zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt und wenig später begnadigt. Die neuen Enthüllungen vermittelten nicht nur den Eindruck, unter Franziskus würde die Korruption andauern, sondern brachten auch die Arbeit der COSEA erstmal zum Erliegen.

Franziskus reagierte zwei Tage nach der Urteilsverkündung am Sonntag mit einem Apostolischen Schreiben (Motu Proprio) und bildete ein Wirtschaftssekretariat "zur Überwachung und Verwaltung des vatikanischen Vermögens" durch die Güterverwaltung APSA, der Zentralbank des Vatikans. Die Maßnahme wird, wie Radio Vatikan berichtete, damit begründet, dass aus "dieser Institution, die zahlreichen Skandale der jüngsten Zeit hervorgegangen" seien. Die Nachrichtenagentur KNA deutete an, dass mit einer Begnadigung der Verurteilten durch Franziskus gerechnet wird.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2016

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