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INTERNATIONAL/017: Migration - Wachsender Widerstand gegen US-Deportationspolitik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. August 2011

Migration: Wachsender Widerstand gegen US-Deportationspolitik

Von Kanya D'Almeida


Washington, 18. August (IPS) - Als Isaura García in Los Angeles die Notruf-Nummer 911 wählte, hatte sie sich eigentlich Beistand erhofft. Doch trotz ihres grün und blau geschlagenen Gesichts - ein 'Geschenk' ihres Freundes - wurde sie wegen häuslicher Gewalt für mehr als eine Woche ins Gefängnis gesperrt. Parallel dazu leiteten die Einwanderungsbehörden ein Ausweisungsverfahren ein und ließen die 20-jährige schließlich - mit einer elektronischen Fußfessel gesichert - wieder frei.

Auch wenn die 20-Jährige die USA am Ende nicht verlassen musste und der Täter wegen versuchten Totschlags angeklagt wurde, ist Garcías traumatische Erfahrung, die sie mit den US-Behörden machte, eine von Tausenden, die die Betroffenen dem sogenannten 'Secure Communities'- Programm (S-Comm) des US-amerikanischen Heimatschutzministeriums verdanken. Doch gegen das Projekt formiert sich zunehmend Widerstand.

So hat sich eine Koalition einflussreicher US-amerikanischer Menschenrechtsgruppen wie das 'National Day Laborer Organizing Network' (NDLON) und das 'Center for Constitutional Rights' mit 18 weiteren nationalen und lokalen Organisationen verbündet und einen detaillierten Bericht über die verheerenden Auswirkungen von S-Comm auf US-amerikanische Zuwanderer herausgegeben.

Der Report, der auf Aussagen von S-Comm-Opfern wie Isaura García basiert, fordert die Beendigung eines Programms, das die überwiegende Mehrheit der US-Migrantenhilfswerke für gescheitert betrachtet. "Es herrscht die allgemeine Ansicht vor, dass S-Comm zu kaputt ist, um noch repariert zu werden", sagte Chris Newman vom NDLON gegenüber IPS. So gebe es selbst außerhalb der Bewegung für die Rechte von Migranten immer mehr kritische Stimmen, die für eine Reform der geltenden Einwanderungsbestimmungen eintreten.


Per se schuldig

Die US-Einwanderungsbehörde (ICE) hatte S-Comm 2008 auf den Weg gebracht und zunächst als Maßnahme präsentiert, um "die Identifizierung und Ausweisung krimineller Ausländer aus den USA zu verbessern und zu modernisieren". So dürfen seitdem Fingerabdrücke, die lokale Polizeistellen dem FBI zur Überprüfung von Personen zustellen, mit den Abdrücken abgeglichen werden, die in den Datenbanken für Migranten eingespeist sind. Ist die ICE der Ansicht, dass ein Zuwanderer ausgewiesen werden sollte, beauftragt sie die lokale Polizeistelle mit der Festnahme der betreffenden Person und mit der Übergabe an die ICE für eine mögliche Ausweisung.

Diese Verfahrensweise ist nach Ansicht ihrer Gegner ein klarer Verstoß gegen die grundlegenden Bürger- und Menschenrechte von Migranten. Millionen Menschen ohne Papiere, die in der Regel nichts verbrochen hätten, gerieten auf diese Weise in eine Ringfahndung, die die Ausweisung von 115.000 Menschen nach sich gezogen habe.

"Diese Politik führt zu einer 'Arizonifizierung' unseres Landes", sagte Newman in Anspielung auf ein äußerst umstrittenes Gesetz des Senats von Arizona, das die Erstellung von Täterprofilen auf der Grundlage der ethnischen Zugehörigkeit erlaubt. "Der in Arizona als Experiment gestartete Vorstoß war der Vorläufer des Frankensteins, den S-Comm geboren hat", kritisierte Newman.


Programm in drei Bundesstaaten gecancelt

Mit seiner Kritik gegen S-Comm stehen die Migrantenhilfswerke nicht alleine da. Der Umstand, dass die Programmmitarbeiter lokalen Polizeistellen ICE-Funktionen übertragen dürfen, hat die Gouverneure von Illinois, New York und Massachussets veranlasst, aus S-Comm auszusteigen. Sie beriefen sich auf eine Einverständniserklärung aus der S-Comm-Anfangsphase, die US-amerikanische Bundesstaaten berechtigt, aus dem Programm auszuscheren.

Wie aus einer Pressemitteilung der 'New York Immigration Coalition' hervorgeht, hat die Regierung von Barack Obama trotz aller Bedenken gegen S-Comm dem Heimatschutzministerium in diesem Monat grünes Licht gegeben, das Programm zügig auszubauen.

Peter Cervantes-Gautsche von 'Enlace' zufolge, einer Hilfsorganisation für Niedriglohnverdiener und Gemeindeorganisationen in den USA und Mexiko, wurden in den letzten drei Jahren mehr als eine Million Migranten ins Gefängnis gesperrt. Die Steuergelder in Milliardenhöhe, die in "teure Käfige für Männer, Frauen und Kinder" investiert worden seien, hätte man seiner Meinung nach besser für Bildung, Gesundheit und andere "legitime" Zwecke ausgeben sollen. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2011