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INTERNATIONAL/018: Südsudan - Angriffe Khartums gehen weiter, Staatengemeinschaft soll eingreifen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. August 2011

Südsudan: Angriffe Khartums gehen weiter - Staatengemeinschaft soll eingreifen

Von Inaki Borda


New York, 23. August (IPS) - Trotz internationaler Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen gehen die Angriffe auf Zivilisten im Südsudan nach Angaben von Augenzeugen weiter. Die Vereinten Nationen fordern eine umfassende Untersuchung von Verstößen gegen das Völkerrecht, die im Juni nach Angaben von Einwohnern der Region im Bundesstaat Südkordofan begangen wurden.

Überlebende bitten um internationale Hilfe. "Wir appellieren an die UN, die Zivilisten in Südkordofan und in den Nuba-Bergen unverzüglich zu schützen. Durch die Luftangriffe der Regierungstruppen werden jeden Tag Menschen in die Berge vertrieben", erklärte ein Überlebender am 17. August im Radio. In der dritten Augustwoche waren mehrere Dörfer in Südkordofan, einem Teil des jungen Staates Südsudan, bombardiert worden.

Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wären der Regierung des Sudan Menschenrechts- oder Kriegsverbrechen anzulasten, heißt es in einem vorläufigen Bericht, den das Büro des Hohen Menschenrechtskommissars (UNHCR) und die ehemalige UN-Mission im Sudan (UNMIS) erstellt haben.

In dem Report werden zahlreiche mutmaßliche Verstöße gegen internationales Recht in der Stadt Kadugli und in den umliegenden Nuba-Bergen dokumentiert. In der Hauptstadt von Südkordofan waren Anfang Juni Kämpfe zwischen den Streitkräften und der Rebellenbewegung Sudanesische Volksbefreiungsarmee Nord (SPLA-N) ausgebrochen.

Die Opfer seien "außergerichtlich getötet, willkürlich festgenommen und illegal inhaftiert worden", heißt es in der Untersuchung. Zudem seien Zivilisten attackiert, verschleppt und in Massen vertrieben worden. Ihre Häuser seien ausgeplündert und zerstört worden.

Alle Hinweise deuten darauf hin, dass das Leben der Bewohner von Südkordofan nach wie vor bedroht ist. Die aus der SPLA-N hervorgegangene Sudanesische Volksbefreiungsbewegung Nord SPLM-N hatte Anfang August Bombardements in der Region bestätigt.


Khartum bestreitet Vorwürfe

Die sudanesische Regierung in Khartum wies die Vorwürfe als "bösartig" und "unbegründet" zurück. Justizminister Mohamed Bushara Dosa kündigte an, dass ein Sonderausschuss die Menschenrechtslage in dem Konfliktgebiet untersuchen werde.

Nach Ansicht von Matt Chancey, Direktor der christlichen Hilfsorganisation 'Persecution Project Foundation', sollten die Vereinten Nationen eine humanitäre Krisensituation feststellen und die Hilfstransporte wieder aufnehmen. Chancey hat keinen Zweifel daran, dass die Angriffe als Kriegsverbrechen zu werten seien. Journalisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen hätten solche Vorfälle in den Nuba-Bergen bestätigt, sagte er IPS.

Chancey drängte die internationale Staatengemeinschaft, eine Flugverbotszone einzurichten und Flugzeuge mit Hilfsgütern für Flüchtlinge und Vertriebene zu schicken. "Je später dies geschieht, desto größer wird die humanitäre Krise", warnte er. "Denn die Felder können wegen der drohenden Luftangriffe nicht wie üblich zu Beginn der Regenzeit bestellt werden."

Bislang wurden bereits mehr als 400.000 Zivilisten vertrieben. Die UN-Zahlen seien geringer, berichtete die 'Persecution Project Foundation'. Die Weltorganisation habe allerdings nicht Tausende von Menschen eingerechnet, die vor den Bomben aus ihren Häusern in die nahegelegenen Hügel geflohen seien. Da Khartum Hilfsorganisationen den Zugang zu diesen Gebieten verwehrt, erwarten Beobachter in den nächsten Monaten aufgrund der bevorstehenden Nahrungsknappheit eine weitere Verschlechterung der Lage.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte das von einer US-Gruppe geleitete 'Satellite Sentinel Project' Bilder von aufeinandergeschichteten Toten, die in Leichensäcken steckten. Die Aufnahmen wurden in einem Hügelgebiet in Kadugli gemacht, wie der Sender 'Voice of America' berichtete.

Ende Juni erklärten sich SPLA-N und SPLM-N zwar zu einem Waffenstillstand bereit. Doch schon bald darauf gab der sudanesische Präsident Omar al Bashir bekannt, dass die "Säuberung" der Nuba-Berge fortgesetzt würde.


Vereinter Druck der Weltgemeinschaft gefordert

Eric Reeves, der mehrere Bücher über den Sudan veröffentlicht hat, hält ein Ende des Genozids in Südkordofan nur dann für realistisch, wenn die Staatengemeinschaft vereinten Druck auf die Regierung in Khartum ausübt. Dafür gebe es aber keine Anzeichen, sagte er IPS. Die Kämpfe würden vermutlich solange weitergehen, bis Khartum sich in der Lage sehe, das afrikanische Nuba-Volk zu vernichten.

Der hauptsächliche Grund für den Krieg sei gewesen, dass Ahmed Haroun, der gewählte Gouverneur von Südkordofan und ein angeklagter Kriegsverbrecher, alle Mitglieder der SPLA-N bis Anfang Juni aus Südkordofan ausweisen ließ. Damit wurde das Friedensabkommen verletzt. Als sich die Rebellen weigerten, die Region zu verlassen, wandten Harouns Truppen Gewalt an und lösten damit den bewaffneten Konflikt aus. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://persecutionproject.org/
http://www.unhcr.org/pages/49c3646c4b8.html
http://www.ips.org/africa/2011/08/evidence-mounts-of-war-crimes-unfolding-in-south-sudan/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2011