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INTERNATIONAL/057: Staatsterrorgesetz - US-Armee darf Verdächtige wegsperren (jW)



junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 17. Dezember 2011

Staatsterrorgesetz

US-Armee darf Verdächtige wegsperren

Von Rainer Rupp

Beide Kammern des US-Kongresses haben diese Woche die noch verbliebenen Reste der amerikanischen Rechtsstaatlichkeit entsorgt. Das ordentliche Gerichtsverfahren, auf das auch nach internationalem Recht auch jeder Bürger der Vereinigten Staaten einen Anspruch hat, gehört ab jetzt der Vergangenheit an. Die Vorschriften der US-Verfassung, die einen fairen Prozeß garantieren, werden von den Volksvertretern inzwischen als altmodisch kurios beiseite geschoben, ebenso wie viele andere Paragraphen, welche Freiheitsrechte der Bürger versprechen. Mit 83 zu 13 Stimmen hat am Donnerstag der Senat dem Gesetz über den Rüstungshaushalt zugestimmt, dem wiederum ein Gesetz angehängt war, das auf dem Territorium der USA ohne Haftbefehl die Festnahme von terrorverdächtigen Bürgern durch die Armee und eine nachfolgende lebenslange Haft in Militärgefängnissen ohne vorheriges Gerichtsverfahren, ohne Rechtsbeistand und ohne Berufungsinstanz regelt. Das Repräsentantenhaus hatte zuvor mit 283 zu 136 Stimmen für das neue Gesetz gestimmt, das bereits am Freitag dem US-Präsidenten zur Unterschrift übergeben wurde.

Das letzte Mal hatte der US-Kongreß ein solches Gesetz (lebenslange Haft ohne Gerichtsverhandlung) in der McCarthy-Ära verabschiedet, während der Hexenjagd auf linke Intellektuelle. Der damalige Präsident Truman hatte den Mut, sein Veto einzulegen. Auch Präsident Obama hatte mit Blick auf seine potentiellen Wähler im linksliberalen Spektrum ursprünglich mit seinem Nein gedroht. Die Debatte im Senat enthüllte nun, daß das neue Polizeistaatsgesetz sogar von der Obama-Administration angestoßen worden war. Mit einem Veto Obamas ist also kaum zu rechnen.

Wie das neue US-Staatsterrorgesetz hierzulande funktionieren würde, sei kurz am Fall der sogenannten Sauerlandterroristen dargestellt. Die Bundeswehr und nicht die Polizei hätte die Verdächtigen festgenommen und in Militärgefängnisse geworfen, wo sie weder von Anwälten noch Familienmitgliedern hätten besucht werden können. Das Militär wäre nicht einmal verpflichtet gewesen, ihnen den Grund ihrer Verhaftung mitzuteilen. Auch ein Gerichtsverfahren hätte es nicht gegeben. Still und heimlich wären sie lebenslang in einem Militärverlies verschwunden. Die Parallele zu den abscheulichen »Oubliettes«, den Felsenlöchern tief unter den Gefängnissen, drängt sich auf, in denen im Mittelalter autokratische Feudalherren ihre Gegner entsorgten.

Überhaupt scheint die Justiz der USA, die gerne als Lehrmeister der Menschenrechte und modernen Demokratie auftreten, sich immer stärker an der mittelalterlichen Werteordnung zu orientieren. Wie damals zu Zeiten der Raubritter und Inquisitoren so gehören auch heute Folter, das Verschwindenlassen von Menschen und die gezielte Tötung von eigenen Bürgern auf bloßen Verdacht bereits zur Tagesordnung der US-Unrechtsjustiz und ihres mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Präsidenten.


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Quelle:
junge Welt vom 17.12.2011, Seite 8
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2011