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INTERNATIONAL/090: Honduras - Militärische Eliteeinheit soll Verbrechen bekämpfen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. August 2012

Honduras: Lobo lässt die 'Tiger' los - Militärische Eliteeinheit soll Verbrechen bekämpfen

von Thelma Mejía



Tegucigalpa, 7. August (IPS) - Die Regierung von Honduras will das organisierte Verbrechen mit einer militärischen Eliteeinheit bekämpfen. Bis Ende des Jahres sollen die 'Tiger' einsatzbereit sein. Politische Beobachter sehen in dem Vorhaben jedoch eine Gefahr für den vor 15 Jahren begonnenen Demilitarisierungsprozess in dem zentralamerikanischen Land.

Die konservative Regierung von Präsident Porfirio Lobo hatte bereits vor einem Jahr angekündigt, verschiedene Bereiche der Ministerien für Sicherheit und Verteidigung zusammenzulegen, um wirksamer gegen Gewalt und organisierte Kriminalität vorgehen zu können. Geplant ist, dass die neue Einheit formell dem Sicherheitsministerium untersteht, Ausbildung und Operationszentrum der 'Tiger' jedoch in den Zuständigkeitsbereich von Truppenverbänden der Streitkräfte fallen, die dem Verteidigungsministerium zugeordnet sind.

Gemäß einem am 26. Juli in das Parlament eingebrachten Gesetzentwurf, der binnen zwei Wochen zur Abstimmung gebracht werden muss, sollen die 'Tiger zu "normalen Zeiten" von den Weisungen des Sicherheitsministeriums abhängig sein. In "Kriegszeiten" soll jedoch das Verteidigungsministerium das Kommando übernehmen. Die Elitetruppe soll dann auch mit geheimdienstlichen Aufgaben betraut werden.

"Wer entscheidet aber darüber, ob die Zeiten 'normal' sind?" fragen sich die Experten. Diese Unklarheit könne gefährlich werden, wenn das Land versuche, politische und soziale Konflikte mit Gewalt zu ersticken.


Grenzen zwischen innerer Sicherheit und Landesverteidigung verschwimmen

Dazu meint die Soziologin Mirna Flores: "Diese Hybrideinheit impliziert eine Militarisierung der Polizeikräfte, eine Tendenz, die sich durch die Schwäche der regulären Polizei verstärkt hat." Indem die Grenzen zwischen innerer Sicherheit und Landesverteidigung verwischt würden, erhalte das Militär eine Vormachtstellung in Bereichen, für die es gar nicht zuständig sei.

Parlamentspräsident Juan Orlando Hernández beschreibt die 'Tiger' als sehr gut ausgebildete Eliteeinheit, der fortschrittliche Technologien zur Bekämpfung der gemeinen und organisierten Kriminalität zur Verfügung stünden. "Es handelt sich um keine Kraft, die parallel zu Polizei und Heer arbeitet", versichert er und fügt hinzu, Honduras müsse den nationalen Sicherheitsbedürfnissen gerecht werden.

Der Eliteverband soll aus 200 Mitgliedern bestehen, die in der Hauptstadt Tegucigalpa und der zweitgrößten Stadt San Pedro Sula im Norden eingesetzt werden. Dem Abgeordneten von der Christdemokratischen Partei, Augusto Cruz, zufolge werden die 'Tiger' besonders geschult, "um gravierende Verstöße zu vermeiden". Dabei würden die vom chilenischen Verteidigungsministerium kontrollierten 'Carabiñeros' und das honduranische Militär helfen.

Die Elitetruppe wird nach offiziellen Angaben zunächst mit einem Budget von 65 Millionen US-Dollar ausgestattet. Die Gelder soll die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) als Darlehen bereitstellen.

Yuri Sabas von der oppositionellen Liberalen Partei erinnert jedoch an die schlechten Erfahrungen, die das Land vor Jahren mit der Elitetruppe 'Kobra' gemacht hatte, die selbst in Verbrechen verwickelt war. "Aus den Fehlern müssen wir lernen", mahnt er.

Der Sozialexperte Eugenio Sosa befürchtet gar die Entstehung einer unkontrollierbaren bewaffneten Einheit. "In einem Land wie Honduras mit so schwachen staatlichen Institutionen und so großer Straffreiheit besteht ein großes Risiko, dass diese Kräfte nicht die eigentlich vorgesehenen Ziele verfolgen."


Militärs gewinnen in Gesellschaft wieder an Macht

Sosa zufolge herrscht in Honduras ohnehin eine autoritäre Kultur. Die Militärs seien wieder auf der Bildfläche aufgetaucht und hätten öffentliche Posten in den Bereichen Telekommunikation, Einwanderung oder Wohnungsbau übernommen.

Ähnliche Verbände hatten in den achtziger Jahren schwere Menschenrechtsverbrechen begangen. Den Organisationen zufolge führte zuletzt die paramilitärische Gruppe 'Banda del carro rojo' (Rotwagenbande) in den Jahren 2003 bis 2005 'soziale Säuberungen' gegen Jugendbanden durch.

In einem kleinen Land, in dem täglich durchschnittlich 18 Menschen ermordet werden, setzt Staatschef Lobo im Kampf um Sicherheit zunehmend auf das Militär, zumal die reguläre Polizei selbst immer wieder in die negativen Schlagzeilen gerät und mit dem organisierten Verbrechen und dem Drogenhandel in Verbindung gebracht wird. Allein in den vergangenen sechs Monaten wurden drei hochrangige Polizeibeamte abgesetzt. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2012