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INTERNATIONAL/130: Nahost - "Wir bauen an, sie kommen mit Bulldozern, wir pflanzen neu" (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Februar 2013

Nahost: "Wir bauen an, sie kommen mit Bulldozern, wir pflanzen neu" - Palästinenser fordern Boykott von Waren aus israelischen Siedlungen

von Eva Bartlett


Bild: © Eva Bartlett/IPS

Ein Ölbaum wird zur Unterstützung palästinensischer Bauern gepflanzt
Bild: © Eva Bartlett/IPS

Seitun, Gazastreifen, 13. Februar (IPS) - Tawfik Mandil ist einer von hunderten palästinensischen Bauern, Aktivisten und internationalen Unterstützern, die sich im Bezirk Seitun im Osten des Gazastreifens eingefunden haben. Hier, rund 500 Meter von der Grenze zu Israel entfernt, fordert die Menge den Boykott von Waren aus israelischen Siedlungen.

"Die israelische Armee hat am letzten Tag der Angriffe 2009 mein Haus, meine 5.000 Quadratmeter Land und 20 weitere Gebäude zerstört", berichtet Mandil. Er und andere halten Transparente hoch, auf denen 'Boykottiert israelische Agrarprodukte' und 'Unterstützt palästinensische Bauern' zu lesen ist. Auf einer Fläche, die vom israelischen Militär dem Erdboden gleichgemacht wurde, haben sie im Rahmen ihrer Protestaktion vom 9. Februar Ölbäume gepflanzt.

Mandil ist überzeugt, dass nur ein Boykott noch Gerechtigkeit für die Palästinenser bringen kann, die von der israelischen Armee ins Visier genommen werden. "Wir hoffen, dass Israel so sehr unter Druck kommt, dass es aufhören wird, uns zu schikanieren und uns erlauben wird, unser Land wie früher zu bewirtschaften", meint der 45-Jährige.

Am Himmel zieht ein kleines israelisches Überwachungsflugzeug seine Kreise. Die Demonstration nahe der 'Pufferzone' hat ihre Wirkung nicht verfehlt. In Sichtweite befindet sich ein Maschinengewehrturm, der aus der Ferne gesteuert wird.

Die israelischen Behörden verbieten den Palästinensern den Zutritt zu einem 300 Meter breiten Gebietsstreifen an der Grenze. Wer sich vorwagt, wird angegriffen. Tatsächlich greift Israels Armee Palästinenser mancherorts sogar bis zu zwei Kilometer landeinwärts an. Damit sind 35 Prozent der gesamten Agrarflächen im Gazastreifen praktisch nicht mehr nutzbar.

"Staaten, die den Handel mit Produkten zulassen, die in israelischen Siedlungen hergestellt werden, nehmen ihre Verpflichtung nicht wahr, sich aktiv für ein Ende des Siedlungsbaus Israels einzusetzen", sagt Mandil. "Ein Boykott von Waren aus den Siedlungen sollte daher als Maßnahme erwogen werden, die Drittländer umsetzen können, um sich im Einklang mit dem Völkerrecht zu verhalten."


EU werden Importe aus israelischen Siedlungen vorgeworfen

Die palästinensische Menschenrechtsorganisation 'Al-Haq' verbreitete im Januar ein Positionspapier, in dem sie den Handel mit den israelischen Siedlungen verurteilte. Darin wird beschrieben, auf welche Weise die Siedlungen von der Unterdrückung palästinensischer Farmer profitieren.

"Die EU hat zwar offen die israelischen Siedlungen und ihre Erweiterung verurteilt. Trotzdem importiert sie weiterhin Waren aus genau diesen Siedlungen und unterstützt damit ihren Fortbestand", kritisiert der Generaldirektor von Al-Haq, Schawan Dschabarin, in einer Mitteilung. "Seit dem Waffenstillstand zwischen Israel und dem palästinensischen Widerstand wurden bei israelischen Angriffen in den Grenzgebieten mehr als 80 Palästinenser verletzt und mindestens vier getötet", berichtet der britische Aktivist Adie Mormech, der in Gaza lebt. Hinzu kommen noch zahlreiche Menschen, die in den Jahren davor getötet und verletzt wurden.

Zu ähnlichen Solidaritätskundgebungen wie in Seitun kam es auch im besetzten Westjordanland. Auch dort pflanzten Menschen nahe der Siedlung Jizhar, deren Bewohner bekannt für ihre Gewalt gegen Palästinenser sind, Bäume an. Weltweit fanden in schätzungsweise 30 Staaten Solidaritätsaktionen für palästinensische Bauern und Fischer statt.

Um Abed will nicht aufgeben. "Heute pflanzen wir Ölbäume. Wenn Gott so will, kommen im nächsten Jahr Zitronen und Palmen hinzu. Wir bauen an, sie kommen mit Bulldozern, und wir pflanzen neu", sagt die 65-Jährige.

Die Boykott-Aktion folgt auf Initiativen, die in den vergangenen Jahren im Gazastreifen immer weiter zugenommen haben. Palästinensische Studenten von der Bewegung für Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit (BDS) verstärkten im vergangenen Jahr den Boykott-Aufruf und veröffentlichten auf der Internet-Plattform YouTube Videos, in denen sie international zu politischen Protesten aufriefen.


Solidarität im Ausland nimmt zu

Die Palästinensische Kampagne für einen akademischen und kulturellen Boykott Israels (PACBI) hat im Ausland Unterstützer gefunden, darunter zahlreiche Universitäten und Wissenschaftler in Großbritannien und in Nordamerika.

Eine zunehmende Zahl kultureller und religiöser Vereinigungen wie die 'Quakers' Friends Fiduciary Corporation' gehen mittlerweile auf Distanz zu Firmen, die die israelische Besetzung palästinensischer Gebiete unterstützen und von ihr profitieren. Die Vereinigte Kirche von Kanada billigte im vergangenen August den Boykott von Produkten aus illegal errichteten israelischen Siedlungen.

Wie Haidar Eid, Professor an der Al-Aksa-Universität in Gaza-Stadt und Mitglied von PACBI, berichtet, fordern die Aktivisten die Umsetzung der Resolution 242 des UN-Sicherheitsrats. Darin heißt es, dass sich die israelischen Besatzungstruppen aus dem Gazastreifen, dem Westjordanland und Ostjerusalem zurückziehen müssen. "Die zweite Forderung bezieht sich auf die Umsetzung der UN-Resolution 194, die Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge in die Städte und Dörfer, aus denen sie im Zuge ethnischer Säuberungen vertrieben wurden. An dritter Stelle wird ein Ende der israelischen Apartheidpolitik gefordert, die seit 1948 in Palästina gilt. Wir wollen Gleichheit."

Während zivilgesellschaftliche Gruppen und Studenten an vorderster Front für Boykott-Forderungen im Gazastreifen eintreten, hat auch die Hamas-Regierung Schritte eingeleitet und verlangt einen Boykott von Waren aus israelischen Siedlungen. Der in den Gazastreifen gereiste US-Aktivist Joe Catron erinnert in diesem Zusammenhang an die im März 2012 gestartete Kampagne gegen den Sportartikelhersteller Adidas. Adidas hatte einen Marathon durch Teile von Jerusalem gesponsert, darunter auch durch Viertel, die international als von Israel besetzt betrachtet werden. Das Jugend- und Sportministerium des Gazastreifens forderte daraufhin die Arabische Liga auf, Adidas zu boykottieren, was eine Reihe von Ländern auch getan hat.

Im September vergangenen Jahres beschloss das Agrarministerium des Gazastreifens, die Einfuhr der meisten israelischen Obstlieferungen zu verbieten. "Palästinensische Bauern können die Früchte selbst anbauen, die wir verzehren", meint der Marketingleiter des Ministeriums, Tahsen Al-Saka. "Wir müssen unsere Farmer unterstützen und schützen. Das 2006 in Kraft getretene israelische Exportverbot hat sie ruiniert." (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.alhaq.org/publications/publications-index/item/feasting-on-the-occupation-illegality-of-settlement-produce-and-the-responsibility-of-eu-members-states-under-international-law
http://www.alhaq.org/advocacy/targets/european-union/662-new-al-haq-report-feasting-on-the-occupation-highlights-eu-obligation-to-ban-settlement-produce
http://www.pacbi.org/
http://www.bdsmovement.net/
https://www.youtube.com/watch?v=-kLj-6R-ukc
http://www.ipsnews.net/2013/02/israel-goods-boycott-movement-rises/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2013