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INTERNATIONAL/165: Ägypten - Dutzende christliche Kirchen niedergebrannt und geplündert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. August 2013

Ägypten: Rache radikalisierter Muslimbrüder - Dutzende christliche Kirchen niedergebrannt und geplündert

von Hisham Allam


Bild: © Hisham Allam/IPS

Die Überreste der niedergebrannten Evangelikalen Kirche in Minya
Bild: © Hisham Allam/IPS

Kairo, 21. August (IPS) - Nach dem jüngsten Massaker an Anhängern des gestürzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi werden die christlichen Kirchen des Landes zu Zielscheiben von Angriffen radikaler Muslime.

Nach Schätzungen der Menschenrechtsgruppe Maspero-Jugendunion, der koptische Christen angehören, sind seit dem 14. August 38 Gotteshäuser in neun Gouvernements "vollständig" niedergebrannt worden. Zahlreiche weitere Kirchen wurden geplündert oder gestürmt.

Die Rädelsführer der Angriffe seien wütende Demonstranten aus dem Umfeld der islamistischen Muslimbruderschaft, sagte Ishaq Ibrahim von der unabhängigen Ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte (EIPR). "Sie versuchen einen Keil zwischen Christen und Muslime zu treiben, um der Welt zu zeigen, dass Ägypten am Rand des Zusammenbruchs steht."

Laut Ibrahim richtet sich die Gewalt auch gegen die Wohnungen und Geschäfte von Christen. Viele Menschen seien aus ihren Häusern und Städten vertrieben worden. "Seit dem 14. August, dem 'schwarzen Mittwoch', sind in ganz Ägypten 58 Häuser und 85 Läden niedergebrannt worden."

Mit dem 'schwarzen Mittwoch' ist der 14. August gemeint, an dem mindestens 525 Anhänger der Muslimbruderschaft getötet und mehr als 2.000 verletzt wurden, als das Militär die Protestlager der Mursi- Getreuen gewaltsam auflöste. "Muslimbrüder gehen davon aus, dass Christen den Sturz von Mursi betrieben haben, weil sie gegen die Scharia sind", meinte Ibrahim.


Departement Minya besonders betroffen

Bei der Brandschatzung von Kirchen wurden nach Angaben des Aktivisten sechs Kopten, Mitglieder der größten christlichen Religionsgemeinschaft in Ägypten, getötet und sieben weitere entführt. "Das oberägyptische Gouvernement Minya war Schauplatz der schlimmsten Angriffe gegen Kopten. Zwölf ihrer Kirchen wurden vollständig zerstört."

Ahmad Aref, ein Sprecher der Muslimbrüder, verurteilte die Gewalt gegen Christen und die Zerstörung der Kirchen. Er beschuldigte Militärführer, die Angriffe geplant zu haben, um den Ruf der Muslimbrüder zu beschmutzen.

"Solche Brutalität haben wir noch nicht erlebt", sagte Anba Makarios, Bischof der Orthodoxen Kirche in Minya. Die koptischen Christen hätten in dem Land bereits seit Jahrzehnten zu leiden und müssten darum kämpfen, Genehmigungen für den Bau neuer Kirchen zu erhalten.

"Sie riefen 'Allahu Akbar' ('Gott ist der Größte'), als sie unsere Kirchen, Waisenhäuser und Krankenhäuser abbrannten", berichtete Makarios. "Sie kämpften so, als führten sie einen heiligen Krieg gegen das Kreuz. Wie können die Menschen noch einer Religion vertrauen, nachdem sie zusehen mussten, wie im Namen Gottes Blut vergossen wurde?"

Nach Ansicht des Geistlichen handelt es sich bei den Angreifern um Mitglieder radikaler islamistischer Bewegungen. "Sie unterstellen der Kirche, den Sturz Mursis finanziell und ideell unterstützt zu haben. Deshalb kommen sie, um Rache zu nehmen." Die Forderungen mancher Christen nach einer Intervention ausländischer Truppen lehnt Makarios jedoch ab. "Das Eigentum der Kirchen sollte vom Staat geschützt werden", sagte er.

Viele Beobachter halten die Angriffe für politisches Kalkül. Die Muslimbruderschaft habe mit allen Mitteln versucht, die Aufmerksamkeit der westlichen Gemeinschaft auf sich zu ziehen, meinte Fouad Badrawi, der stellvertretende Vorsitzende der liberalen Partei 'Hizbu Al-Wafd'. "Die Bruderschaft erhofft sich von der religiösen Unterdrückung der Kopten ein Eingreifen der USA und der Europäischen Union."

Nach Ansicht des Politikers haben die "Terroristen" ihre Angriffe in Oberägypten verübt, weil die Sicherheitskräfte dorthin nicht so leicht Verstärkung schicken können. Diese Strategie habe Polizei und Armee geschwächt. Islamische Gruppen hätten sich wiederum schockiert über die Reaktionen des koptischen Papstes und anderer christlicher Führer gezeigt.

Badrawi ist der Enkel des ehemaligen Parteiführers Fouad Serag Al-Din. 'Hizbu Al-Wafd' wurde 1920 gegründet und war die populärste Partei in Ägypten, bis sie nach der Revolution 1952 aufgelöst wurde. 1983 wurde sie wiedergegründet.

Auch Archäologen zeigten sich entsetzt über die Zerstörung der oftmals Jahrhunderte alten Gotteshäuser. "Viele davon haben einen besonderen historischen Wert", sagte die ägyptische Wissenschaftlerin Monica Hanna. Unter anderem sei ein Kloster der Jungfrau Maria aus dem vierten Jahrhundert nach Christus von Mursi-Anhängern niedergebrannt worden. (Ende/IPS/ck/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2013