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INTERNATIONAL/186: Fischerei und Landwirtschaft für Palästinenser im Gazastreifen lebensgefährlich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Juni 2015

Nahost: Fischerei und Landwirtschaft für Palästinenser im Gazastreifen lebensgefährlich

von Mel Frykberg


Bild: © Mel Frykberg/IPS

Die Fischer Ibrahim Al Quka und sein Bruder Sami Al Quka aus dem Gazastreifen
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RAMALLAH, WESTJORDANLAND (IPS) - Palästinenser, die in den Küstengewässern des Gazastreifens fischen, laufen ständig Gefahr, von Kugeln getroffen zu werden. Das Gleiche gilt für palästinensische Bauern, deren Felder in der Pufferzone nahe der israelischen Grenze liegen. Insgesamt wurden in jüngster Zeit 15 Fischer und Bauern bei dem Versuch, sich und ihren Familien eine Auskommen zu schaffen, beschossen und verletzt.

In der ersten Juniwoche trugen drei palästinensische Fischer bei einem Angriff der israelischen Marine vor Al-Sudaniyya im Norden des Gazastreifens Schussverletzungen davon, obwohl sie die ihnen von Israel zugewiesene Drei-Seemeilen-Zone nicht verlassen hatten.

Für die eingeschränkten Fischereirechte zahlen die Palästinenser im Gazastreifen einen hohen Preis. Die Fänge fallen mager aus, da ihnen der Zugang zu den guten Fangebieten versperrt bleibt. Der lokale Fischereisektor liegt danieder, und die Fischer selbst sehen sich ihrer Lebensgrundlage beraubt.

Ähnliche Schwierigkeiten haben die palästinensischen Bauern, die ihre Felder innerhalb der 500 Meter langen und einen Kilometer breiten israelischen Pufferzone nahe der israelischen Grenze bestellen. Auch sie werden in regelmäßigen Abständen beschossen, verletzt und auch getötet.


Wirtschaftlich am Boden

Mit der Wirtschaft im Gazastreifen geht es aufgrund der eingeschränkten Exportmöglichkeiten immer weiter bergab. Vor der von Israel und Ägypten durchgesetzten Blockade hatte der Export der für die beiden Hauptmärkte Westjordanland und Israel bestimmten Agrar- und Fertigprodukte die Wirtschaft des Gazastreifens gestützt.

Eine der Bedingungen für den Waffenstillstand nach dem Krieg zwischen der radikal-islamischen Hamas, die den Gazastreifen regiert, und der israelischen Regierung war die Aufhebung der Blockade gewesen. Israel erlaubt jedoch nur die Ausfuhr einiger weniger Güter. Eine Erholung der angeschlagenen Wirtschaft ist somit nicht möglich.

Analysten und politische Kommentatoren haben wiederholt vor den negativen Folgen der fortgesetzten Belagerung und Einschränkungen gewarnt, unter denen der Gazastreifen zu leiden hat. So werde sich die politische Lage in der Region weiter destabilisieren und einen neuen Krieg wahrscheinlich machen.

Wie aus einem jüngsten Lagebericht des Ad-Hoc-Liaisonkomitees des Vertreters des Büros des 'Nahost-Quartetts' (EU, USA, Russland und Vereinte Nationen) hervorgeht, sind mehr als ein Jahr nach dem Abbruch der Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern keine Anzeichen für eine politische Entspannung in Sicht. Das Vakuum könnte sich jedoch schnell mit Animositäten und Gewalt füllen, warnt er.

Dem Report zufolge kommt der Aufhebung oder Lockerung der gegen Palästina verhängten Restriktionen in den Bereichen Mobilität, Handel und Zugang eine wichtige Rolle zu, um ein Wirtschaftswachstum im Gazastreifen sicherzustellen. Die Einschränkungen bei Mobilität und Zugang wirkten sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung beider besetzten Gebiete und auf fast alle Aspekte des palästinensischen Lebens aus.

Eine Lockerung der Blockade durch Israel könnte Beschäftigung und Wirtschaft im Gazastreifen voranbringen. Die Privatwirtschaft würde gestärkt. Dies wiederum hätte einen Rückgang der politischen Spannungen zur Folge und käme dem Sicherheitsbedürfnis Israels entgegen.

Das Versagen von Hamas und Israel, ein Abkommen zustande zu bringen, wird durch die Unfähigkeit der Hamas und der Fatah verschärft, sich auf eine gemeinsame Regierungsführung zu einigen. Die Rivalität zwischen den beiden Gruppen verzögert die Bereitstellung internationaler Hilfsgelder, ohne die kein Wiederaufbau, keine Entwicklung und kein Wirtschaftswachstum im Gazastreifen möglich ist.

Das Büro des Vertreters des Nahost-Quartetts nannte fünf Entwicklungsbereiche, die von zentraler Bedeutung sind, um die Lage vor Ort zu entspannen: eine effektive palästinensische Regierung, Bewegungsfreiheit und Handel, eine solide Infrastruktur, Investitionen und eine nachhaltige Landnutzung.


Beduinen vor der Vertreibung

Derweil treibt Israel seine Pläne für eine Umsiedlung tausender Beduinen im Westjordanland und in Israel voran, nachdem der Oberste Gerichtshof Israels dazu seine Zustimmung gab.


Bild: © Mel Frykberg/IPS

Eine Ruine des Krieges zwischen der Hamas und Israel
Bild: © Mel Frykberg/IPS

Rund 7.000 Beduinen im Westjordanland - die meisten von ihnen in Ostjerusalem und 450 im südlichen Hebron - werden zwangsumgesiedelt, ihre Wohnstätten und Infrastrukturen zerstört. Zur Begründung heißt es dem UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zufolge, dass die Strukturen ohne die entsprechenden Genehmigungen errichtet worden seien.

Das Westjordanland steht unter der Kontrolle der israelischen Zivilverwaltung. Die Behörde hat jedoch den Beduinen in Gebiet C, das 60 Prozent des Westjordanlandes umfasst und für neue israelische Siedlungen vorgesehen ist, kaum Genehmigungen für den Bau von Häusern erteilt. "Den Beduinen und Hirten droht die Zwangsumsiedlung, was einem Bruch der vierten Genfer Konvention und zahlreichen anderen Menschenrechtsverletzungen gleichkommt", meinte dazu UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.

Auch den Beduinen in der nicht-anerkannten Siedlung Negev-Siedlung Umm al-Hiran], die innerhalb der 'grünen Linie' liegt, droht die Vertreibung, nachdem das israelische Gericht ihren Einspruch abgewiesen hat. "Dieses Gericht ist nicht die richtige Adresse, um Chaos zu stiften", wies Richter Elyakim Rubinstein den Einspruch der Beduinen der nicht anerkannten Negev-Siedlung Umm al-Hiran zurück.

In seiner von der israelischen Zeitung 'Haaretz' zitierten Erklärung erklärte Rubinstein, dass die Zwangsumsiedlung vertretbar und der Tatsache geschuldet sei, dass das umstrittene Land dem israelischen Staat gehöre und die Gebäude ohne Genehmigung errrichtet worden seien.

Doch die Bewohner von Umm al-Hiran fühlen sich diskriminiert. Ihre Besitzrechte würden mit Füßen getreten, protestieren sie. Juden hätten stets die Besitzrechte auf Land geltend gemacht, das sie besiedelt hätten. Das Recht auf Land, auf dem sich die Beduinen niederließen, sei hingegen nie formalisiert worden. (Ende/IPS/kb/10.06.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/06/fishing-and-farming-in-gaza-is-a-deadly-business/

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IPS-Tagesdienst vom 10. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2015

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