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SCHACH-SPHINX/04674: Risse im Granit des Tabus (SB)


Der Wettstreit der Gedanken, Einfälle und perspektivischen Ziele, dieses Grundelement gesellschaftlichen Austausches, hat im Schachspiel wohl seinen edelsten Niederschlag gefunden. Daß viele Menschen, denen krankheitsbedingt eine sportliche Betätigung nicht mehr möglich ist, hierin ihre einzige Möglichkeit sehen, macht das Schach um so wertvoller. Eine Schachpartie gleicht einer Geschichte, die jeder der Akteure auf seine individuelle Art erzählt. Ballett ist beispielsweise eine Sichtbarmachung der Seele, indem auf die Leinwand des Körpers Bewegungen transferiert werden. Auch bei einem Ringer findet seine ganze Persönlichkeit im Kampf ihren Ausdruck. So hat der gesellschaftliche Mensch gelernt, sich im Sport wie in einem Spiegel erkenntnisreich zu entdecken, seine Grenzen zu erleben und sich im Zuge einer Entwicklung mit Fragen zu konfrontieren, die ihm ansonsten verschlossen bleiben. Daß ein Mensch, unabhängig von Geschlecht oder Konstitution, ohne diesen Wettstreit mit sich selbst und anderen verarmt, ist mehr als nur eine psychologische Binsenwahrheit. Erst dieses Terrain der Begegnung und Grenzerfahrung macht den Menschen aus. So fand 1981 das erste Einzelturnier muskelkranker Schachspieler statt. Je nach Grad der Beeinträchtigung wird die Partie entweder eigenhändig oder stellvertretend durch einen Helfer ausgetragen. Das heutige Rätsel der Sphinx ist dieser Gruppe von Schachfreunden gewidmet, die um der Faszination zum Königlichen Spiel willen gesellschaftliche Schranken einrissen und damit ein Tabu verletzten, das unzeitgemäßer nicht sein kann. Gespielt wurde die Partie beim 2. Einzelturnier zwischen den beiden Siegern Wohlgemuth und Kehr. Statt mit 1...Dc2xg2+ 2.Kh2xg2 h6-h5 3.h3-h4 ins Remis einzulenken, hätte sich Schwarz mit einer anderen Fortsetzung noch Gewinnchancen sichern können. Also, Wanderer, was war im Sinne des Sieges vielversprechend?



SCHACH-SPHINX/04674: Risse im Granit des Tabus (SB)

Wohlgemuth - Kehr
Lichtenau 1983

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
In seiner ersten Fernschachpartie glänzte Dr. Eduard Dyckhoff mit 1...Lf8-b4!!. Weil die weiße Stellung nach der erzwungenen Folge 2.Dc3xb4 Se5xf3+ 3.Sd2xf3 Df6xf3 zusammengebrochen wäre, gab sein Kontrahent Prügel sogleich auf.


Erstveröffentlichung am 08. Februar 2001

05. März 2013





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