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SCHACH-SPHINX/04688: Frecher Kiebitz (SB)


Unter den Kiebitzen sind die vorlauten die schlimmsten, denn wo die Höflichkeit des Staunens und Bewunderns angeraten wäre, da umschleichen sie die Meister an den Brettern, geben sich leutselig mit wohlwollender Miene, aber unterstehen sich nicht, ihre Art von Empfehlungen in eine Diskussion einzustreuen, zu der sie weder eingeladen noch erwünscht sind. Die Geschichte der dreisten Kiebitze und Zaungäste reicht weit zurück. Wann der Kiebitz erstmals geschichtlich in Erscheinung trat, ist nicht überliefert. Es kann jedoch fraglos davon ausgegangen werden, daß sein Auftritt Unmut erregte, vielleicht sogar Verdruß. Daß sich heutzutage spielende Meister hinter Glasscheiben und Absperrungen, auf Podesten und in abgeschlossenen Räumen vor der Zudringlichkeit der Besserwisser verbergen, ist nicht ohne Grund. 1834, als in London der Freundschaftswettkampf zwischen MacDonnell und Labourdonnais stattfand, hatte man den störenden Überfall mancher Kiebitze nicht bedacht. So kam es zu unliebsamen Zwischenfällen. Der englische Meister und Schriftsteller Walker schrieb später dazu: "Ich erinnere mich persönlich, beobachtet zu haben, wie einer meiner Landsleute den Klubraum betrat und zu MacDonnell und Labourdonnais eilte, die gerade über einer verwickelten Stellung brüteten. Unser Freund reichte beiden zunächst die Hand, schob dann seinen Körper vor und beugte sich behäbig über das Brett, wobei er seine Hände mitten zwischen die Figuren stützte. Nachdem er ein Dutzend Fragen in der Art gestellt hatte wie 'Ist das heute ihr erstes Spiel?' und 'Dieser Turm scheint mir verteufelt schlecht zu stehen.' oder 'Wer ist eigentlich am Zuge?', erlaubte er gütigst, daß das Spiel seinen Fortgang nehmen dürfe, wofür ihn die beiden Meister (mit schweigender Wut) allem Anschein nach sehr verbunden waren." So kann es also kommen, Wanderer, wenn Inkompetenz sich zu Wort meldet zum verkehrtesten Zeitpunkt. Im heutigen Rätsel der Sphinx fand der französische Kaffeehausmeister Labourdonnais mit den schwarzen Steinen auch ohne fremde Hilfe einen akuraten Weg zum Sieg!



SCHACH-SPHINX/04688: Frecher Kiebitz (SB)

MacDonnell - Labourdonnais
London 1834

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Der weiße König stand schon schlecht, schlechter stand er noch, als Spasski 1...Sc6-b4! zog, denn Timman blieb wegen drohenden Matts nichts anderes übrig, als nach 2.a3xb4 a5xb4 3.Sc3-a4 Tb7-a7 4.Dh3-b3 c5-c4 5.Db3-a2 Tb8-a8 6.e4xf5 Ta7xa4 dem Matt durch vorzeitige Aufgabe zuvorzukommen.


Erstveröffentlichung am 13. Februar 2001

19. März 2013





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