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SCHACH-SPHINX/04726: Wundersames Spielzeug (SB)


Als der Spielzeugmacher und Hofrat der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, Wolfgang von Kempelen, seinen Schachautomaten erfand und ihn, gemäß der damaligen Vorliebe für alles Orientalische, in der Gestalt eines Türken gestaltete, da spaltete sich das Publikum in zwei Lager. Die einen, Skeptiker, Zweifler und Leute von Vernunft, glaubten natürlich an einen simplen Trick und versuchten unermüdlich, hinter das Geheimnis des schachspielenden Osmanen zu kommen. Andere hingegen waren zutiefst überzeugt, daß dies mechanistische Wunderwerk ohne fremde Hilfe funktioniere. Die Zweifler hatten es schwerer und waren sonderbarerweise sogar leichter von ihren anfänglich gehegten Verdachtsmomenten zu bekehren. Karl Gottlieb von Windisch veröffentlichte 1783 ein Buch mit dem Titel: "Brief über den Schachspieler des Hrn. von Kempelen". Darin beschrieb er seine erste Begegnung mit dem Automaten und wie er von einem Saulus zu einem Paulus verwandelt wurde folgendermaßen: "Als ich es zum erstenmale sah, wie der Erfinder seinen Türken aus einer Alkove hervorschob, und ich den großen Kasten, an den er sitzt, erblickte, so dachte ich gleich, wie vielleicht alle, die ihn mit mir zum erstenmale sahen: Groß genug, einen Knaben darinnen zu verbergen; und ich gab allen, welche ziemlich laut behaupteten, daß ein Kind in diesem Kasten stecke, in meinem Herzen um so vielmehr Beifall, als es nach meinem Augenmaße, auch wohl ein Bube von zehn und mehr Jahren seyn konnte. - Als der Herr von Kempelen aber gleich darauf die Thüren dieses Kasten öffnete, die Schublade herauszog, und sogar die Kleider der Figur am Rücken hinaufschlug - als er den Kasten, der auf vier Walzen steht, herumdrehte, und der ganzen Gesellschaft erlaubte, alles von vorne und von hinten genau zu besehen -, und ich, wie Sie leicht denken können, keinen Winkel unbesehen ließ, doch aber keinen verborgenen Ort fand, der auch nur einen Hut beherbergen könnte: so stand ich ganz verwirrt, und beschämt da, ja, es schmerzte mich nicht wenig, daß meine Hauptentdeckung, die ich gleich beim Eintritte so glücklich gemacht zu haben glaubte, auf einmal wie ein Rauch verflog!" Die rationale Standfestigkeit hatte sich aufs Glatteis führen lassen. Im heutigen Rätsel der Sphinx hätte auch kein "Türke" Kempelener Prägung den schwedischen Jungmeister Akesson die angebliche Sicherheit des schwarzen Königs einreden können. Also, Wanderer, Skepsis ist die erste Stufe zum Denken!



SCHACH-SPHINX/04726: Wundersames Spielzeug (SB)

Akesson - Tovillas
Dortmund 1980

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Robert Hübner machte sich als Feuerteufel einen Namen, als er mit 1.Sc4xe5+! die schwarze Stellung in Brand setzte: 1...d6xe5 2.Tg4-d4+! Le6-d5 - 2...e5xd4 3.Df2xd4+ und Matt in wenigen Zügen - 3.Td4xd5+ Kd7- e6 4.Td5-c5 Dh3-h6+ 5.Kc1-b1 Dh6-f4 - 5...Lh8xf6? 6.Tc5-c6+ Ke6-e7 7.Lb6-c5+ - 6.Tc5-c6+ Ke6-f5 7.Df2-e2 h7-h6 8.Tb2-b3 Kf5-g6 9.Tb3-f3 Df4-d4 10.Tf3-b3 Dd4-d5 und Portisch gab auf, nachdem er sah, daß es nach 11.De2-g4+ keine Rettung mehr für ihn gab.


Erstveröffentlichung am 25. Februar 2001

26. April 2013





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