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SCHACH-SPHINX/04769: Nervenkrieg in Baguio (SB)


Am 16. Juli 1978 begann in der philippinischen Stadt Baguio nicht nur die 28. Weltmeisterschaft der FIDE zwischen Anatoli Karpow und seinem Herausforderer Viktor Kortschnoj. Es fand auch der wohl sonderbarste und spannendste Wettkampf überhaupt in der langen Geschichte der Titelkämpfe statt. Kortschnoj war mit dem festen Willen nach Baguio gekommen, Karpow, der mehr oder weniger verdient den Thron bestiegen hatte, in die Schranken zu weisen. Beide waren sich bereits beim vorangegangenen Finalkampf begegnet, beide spielten ein kompromißloses Schach ohne Schnörkel und gefallsüchtige Eleganz. Der Wille zu siegen war bei beiden so verwachsen mit ihrem Charakter, daß ein großartiger Kampf unvermeidlich war. Und so kam es denn auch. Die ersten sieben Partien gingen nach kräftezehrendem Gerangel jeweils mit Remis zu Ende, obwohl Karpow sowohl in der dritten als auch in der fünften Wettkampfpartie mit geradezu unmenschlicher Hartnäckigkeit das Unentschieden erzwingen mußte. In Runde 8 fiel der Vorhang. Kortschnoj zeigte Spuren von Erschöpfung in seinem Spiel und verlor. Bis zur elften Partie hatte er sich jedoch wieder aufgerappelt und stellte den Ausgleich her. Trotzdem war es Karpow, der über das größere Reservoir an Geduld und Durchhaltevermögen verfügte. Die 13. und auch die 14. Partie gingen an ihn. In der 17. konnte er seine Führung sogar auf 4:1 ausbauen. Nach der 27. Partie stand es 5:2 für Karpow und laut Reglement benötigte er nur noch eine Gewinnpartie, um als neuer und alter Weltmeister nach Hause zu fliegen. Doch Kortschnoj trug nicht von ungefähr den Namen 'der Schreckliche'. Bis zur 31. Partie holte er sich drei Siege. Der Zweikampf in Baguio lief auf Messers Schneide zu. Alle Anwesenden ahnten, daß in der nächsten Partie die Entscheidung fallen würde. Und in der Tat, Karpows kalte Berechnung, sein stilles Feuer und seine unnachahmliche Art, Geduld aufzubringen, erwiesen sich als stärker als Kortschnojs ganzer verbissener Ehrgeiz. Im heutigen Rätsel der Sphinx soll die erste Siegespartie des Matches gewürdigt werden, in der Karpow mit den weißen Steinen eine glänzende Schlußkombination anbringen konnte. Irgendwie drohte ein Epaulettenmatt, nicht wahr, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/04769: Nervenkrieg in Baguio (SB)

Karpow - Kortschnoj
Baguio 1978

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Tal ließ sich die Chance nicht nehmen, seinen Kontrahenten Füster mit 1.De2-f3! an Händen und Füßen zu fesseln. Nach dem Textzug war der Befreiungszug 1...Ta8-d8 wegen 2.Td1xd8 nicht mehr möglich. Füster spielte 1...Dc7-e7, mußte sich jedoch nach 2.Df3-b3 mit der Drohung 3.Le6-d7+ De7xd7 4.Td1xd7 Ke8xd7 5.Db3xb7+ herumschlagen. Doch auch 2...Ta8-b8 versprach keine Rettung. Tal beendete die Partie im gewohnten Angriffsstil: 3.Le6-d7+! De7xd7 4.Td1xd7 Ke8xd7 5.Db3-f7+ Lf8-e7 6.e5-e6+ Kd7-d8 - 6...Kd7-d6 7.Df7-f4+ kostet den Turm - 7.Df7xg7 und Schwarz gab auf, weil ein Läufer verlorengeht durch 7...Lh7-e4 8.Dg7-d4+ Le4-d5 9.c2-c4.


Erstveröffentlichung am 11. März 2001

08. Juni 2013





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