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SCHACH-SPHINX/04999: Gustav Meyrinks Einwand (SB)


Nicht immer wird das Schach in der Literatur in den Himmel gehoben als eine erlesene Form des gedanklichen Austausches zwischen zwei Menschen. Borniertheit, krasse Weltflucht, schnöder Künstlersinn, innere Emigration, Menschenscheu, mundfaule Verschlossenheit und so weiter und so fort sind die gern geschwungenen Kritikpunkte am Schachspieler. Von allem mag etwas an einem Schachspieler dran sein. Bei welchem Typus von Mensch eigentlich nicht? Nicht nur Tugenden wohnen in des Menschen Brust, auch Schwächen sind darunter. So ist das Naturell eines Menschen geschmiedet aus edlen und weniger edlen, zuweilen sogar aus unedlen Metallen. Nicht das Schachspiel sollte also vor Gericht gestellt werden, sondern die unbewältigten Leidenschaften. Nun gehört nicht jede Schwäche vor Gericht, die Welt wäre im Nu entvölkert. Wo wird jedoch ein Laster, um einmal ein altmodisches Wort zu gebrauchen, zu einem echten Ärgernis für alle Umstehenden. Hören wir die Worte des Romandichters Gustav Meyrink: "Nur für den, der bloß durch eine einzige Ritze späht, für den Oberflächlichen also, ist diese Gefahr vorhanden. - Eine lebendige Phantasie hat noch niemand zu Fall gebracht; so wie ein frommer Mensch fast nie religionswahnsinnig wird, sondern immer nur - so unglaublich das auch klingen mag, dennoch ist es Tatsache! -: Bankkassierer, Schachspieler und dergleichen, kurz: rechnende, nüchterne Menschen." Fühle sich ein Schachherz nun nicht gleich bedrängt und beleidigt. Meyrink betont nachdrücklich: Am Schachspieler ist kein Makel, sofern er sich seine Welt, von einem nüchternen Sitzfleisch aus betrachtet, nicht bloß zusammenrechnet wie ein Pfennigfuchser und Krämergeist. Daß die von Meyrink so hoch gepriesene Phantasie beim Schachspiel nie zu kurz kommt, darin sei die Partie zwischen Owtschinnikow und Wetstein ein lebendiger Beweis. Letzterer siegte mit einer sehr wohl das Gemüt beflügelnden Kombination. Im heutigen Rätsel der Sphinx schwingt pragmatischer Geist und seelenvolle Phantasie mit. Kannst du beides erkennen, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/04999: Gustav Meyrinks Einwand (SB)

Owtschinnikow - Wetstein
Magnitogorsk 1979

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Leicht war zu übersehen, was Meister Brabek übersah, denn nach 1...Sb6xd5? 2.Dd1xd5 Lg7xc3 ging die Hoffnung, den ungedeckten Läufer auf e2 einzukassieren, nicht auf wegen der Erwiderung 3.Sc6-e7!, weil 3...Te8xe7 schlicht an 4.Dd5xa8+ scheiterte. Meister Brabek versuchte noch 3...Lc3xb2, gab jedoch nach 4.Dd5xf7 sofort auf: 4...Lb2xa1 5.Lh4- f6+ bzw. 4...Lc3-g7 5.Se7xg6+


Erstveröffentlichung am 26. Mai 2001

24. Januar 2014





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