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SCHACH-SPHINX/05374: Von der Ratio bis zum Relativismus (SB)


Im Bestimmen der eigentlichen geistigen Herausforderung im Schach gehen die Meinungen der Meister weit auseinander. Während die Abstrakt- Ideellen im Berechnen langer Zugfolgen den größten Nutzen sehen, suchen diejenigen, die auf die Intuition setzen, das Wesen der Partie ganzheitlich zu erfassen. Dazwischen sind alle Schattierungen geworfen von der Ratio bis zum Relativismus. Der Ex-Weltmeister Emnauel Lasker gehörte der analytischen Denkrichtung an: "Der wesentliche Besitz eines Schachmeisters: die Urteilsfähigkeit im Abwägen des Für und Wider." Ein Streitlüstling der pedantischsten Natur war, wie schon mehrmals erwähnt, der Innsbrucker Meister Franz Gutmayer. Ganz entschieden ging er jedenfalls auf Gegenkurs zu Lasker. Zwar gab sich Gutmayer nicht besonders viel Mühe, seine Meinung in nuancierter Gründlichkeit darzutun, vielmehr schärfte er sich auf eine wortgewiefte Polemik nach seinem Vorbild Friedrich Nietzsche ein. Und doch berührte Gutmayer durchaus Themen, die es wert sind, in aller Entschiedenheit aufs Podest einer tragfähigen Kritik gehoben zu werden. Aber hören wir ihn selbst zur Frage nach der eigentlichen Essenz imSchach: "Lacht den Querkopf mir doch herzlich aus. Im Schach ist die Hauptsache das Urteil, sagt der Weltmeister. - Nein!! Die Optik!! Eines ist nötiger als das andere. Die Schachspieler brauchen vor allem den Augenarzt; sie laborieren alle am grauen Star, sehen alles durch Nebel und Schleier, halten eine Vogelscheuche für ein Ungeheuer und tappen immer und überall im Dunkeln. Oh über diese große Blindenanstalt, die sich Schachkunst nennt." Daß das Auge und die Lücken im Wahrnehmungskonzept in einem nicht geringen Maße am "Nichtsehen" vieler Fehlzüge beteiligt sind, ist ein Forschungsansatz moderner Prägung, der noch in den Kinderschuhen steckt. Man wird auf die Ergebnisse gespannt sein dürfen. Vielleicht wäre unserem Schachfreund Hülsmann im heutigen Rätsel der Sphinx der katastrophale Kollaps in seiner Partie gegen Meister Engert erspart geblieben, wenn er Auge und Verstand gleichermaßen eingesetzt hätte. Ausgehend von der Diagrammstellung wurde 1.Td1-d2? Sf4xg2! gespielt. Statt sich nun mit dem Bauernverlust nach 2.Df1xg2 Le6xc4 abzufinden, beging Meister Hülsmann eine Art geistigen Selbstmord, als er 2.Kg1xg2? zog. Warum, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05374: Von der Ratio bis zum Relativismus (SB)

Hülsmann - Engert
Düsseldorf 1965

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Nachdem sich der schwarze König nach 1.h5-h6 Lg7-e5 2.Kg5-h5?? eigenhändig den Strick um den Hals gelegt hatte, brauchte Hübner nur noch einen kleinen Stoß zu geben: 2...Le5-g3! - der Rückweg ist hin - 3.Kh5-g5 - 3.g4-g5 Ke6-f5! - 3...Ke6-e5! 4.Kg5-h5 Ke5-f6 5.g4-g5+ Kf6- f5 6.g5-g6 h7xg6#


Erstveröffentlichung am 27. Februar 2002

03. Februar 2015





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