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SCHACH-SPHINX/05418: Dunkelzone des Unbehagens (SB)


Wie es kommt, daß ein Schachspieler bestimmte Spielsysteme und Varianten strikt ablehnt, obwohl es dafür keine vernünftige Grundlage gibt? Die Frage besitzt nach wie vor einen geheimnisvollen Charakter. Fast möchte man meinen, Schachspieler arbeiteten mit einem moralischen Imperativ. So gibt es Meister, die eine Turnierpartie nie mit dem Damenbauer beginnen. Nach dem Grund befragt, antworten viele von ihnen, daß die sich daraus ergebenden Stellungsprobleme ihnen einfach zu "undurchsichtig" wären. Klingt das nicht nach säkularisiertem Vorurteil? Andersherum vermeiden bestimmte Meister grundsätzlich Eröffnungen mit dem Königsbauern, da sie sich in offenen, taktisch lancierten Positionen irgendwie gehandicapt fühlten. Und auch hier scheint ein mystischer Grundsatz die Welt in verschiedene Sphären aufzuteilen. Warum aber soll das eine moralisch anfechtbar sein gegenüber dem anderen? Der französische Philosoph Jean Paul Sartre erklärte dazu: "Der Mensch ist der Ursprung der Negativität in der Welt." Mit seinen Bewertungskategorien also urteilt der Mensch, belegt das eine mit einem Bann und nimmt das andere wie eine persönliche Offenbarung an. Hinter dieser "Negativität" verbirgt sich ein einfacher Mechanismus, man könnte auch sagen, daß der Schachspieler für sich ein Objekt definiert, das er erobern und zähmen will. Was dann von dieser Linie abweicht, wird vermieden und zur Dunkelzone des Unbehagens verklärt. Ein Denken, das den Menschen in seinen Vorlieben und Ängsten erst zum Individuum in der Welt macht. Der russische Großmeister Leonid Stein dagegen war auf allen Brettern zu Hause, hatte zwar seine Lieblinge unter den Eröffnungen, war ansonsten jedoch ein schwerlich zu berechnender Charakter. Im heutigen Rätsel der Sphinx konnte er mit den weißen Steinen gegen seinen ungarischen Kontrahenten Haag einen entscheidenden Schlag landen. Nach welcher kleinen Kombination ging Meister Haag in die Knie, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05418: Dunkelzone des Unbehagens (SB)

Stein - Haag
Tallinn 1969

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Einmal, zweimal hingeschaut, und vor dem Auge des spanischen Meisters Roman Toran lief die Mattkombination wie von selbst ab. Er zog also 1.Dh5xh7+! und setzte nach 1...Kh8xh7 2.Te3-h3+ Sg6-h4 3.Th3xh4+ Kh7- g6 4.Th4-h6+ Kg6-g5 5.f2-f4+ Kg5xg4 6.Sf5-e3# Matt.


Erstveröffentlichung am 11. April 2002

19. März 2015


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