Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05504: Gewiefte Remistaktiker (SB)


Umjubelt werden immer nur die Helden und Hasardeure der Schachkunst. Kaum einer bemerkt dagegen die gewieften Remistaktiker. Wenn der dänische Großmeister Bent Larsen ans Schachbrett eilte, knisterte die Luft lange vor dem Höhepunkt der Schlacht. Und Bobby Fischer, Enfant terrible der königlichen Kunst, verschmähte selbst in nahezu ausgeglichenen Stellungen ein Remis, zumal wenn er gegen schwächere Gegner spielte. Der Weisheitsspruch des ehemaligen Weltmeisters Tigran Petrosjan, daß nur derjenige ein Turnier mit Sicherheit gewinnen könnte, der keine Partie verliert, wird unterschiedlich ausgelegt. Die Kämpferherzen sehen darin eine Aufforderung zur bedingungslosen Jagd auf dem Sieg. Und so spielen sie ein waghalsiges Schach, im Geiste verbunden mit Kortschnoj, Kasparow und Kramnik. Keine Partie verlieren - heißt das nicht auch remis spielen, so interpretieren die umsichtigen Biberköpfe unter den Schachspielern die Petrosjansche Losung. Remis, das klingt bei der einen Fraktion wie Reue, Räudigkeit, rasches Einlenken vor dem Ausbruch jeder Feindseligkeit auf dem Brett, während ihre Opposition darin den höchsten Vernunftgrund ansiedelt, nämlich nie mit Gewalt erreichen zu wollen, was nicht möglich und machbar ist. Bedenken wir unterm Strich, daß auch der deutsche Schlachtenlenker Fritz Sämisch seinen Teil an Weisheit zu diesem Streitpunkt zugesteuert hatte. Einmal lehnte er ein Remisangebot seines Gegners mit der Begründung ab: "Wie kann ich Remis annehmen? Ich weiß ja gar nicht, wie ich stehe!" Im heutigen Rätsel der Sphinx kommen die taktischen Kombinationshaie auf ihre Kosten. Die seinerzeit 16jährige Caroline Claus konnte bei der Deutschen Meisterschaft der weiblichen Jugend 1994 in Freising ihre Gegnerin Maria Wolf in der Folge von 1.Le3-b6 besiegen, allein sie war zu gutmütig und übersah so den viel kürzeren zwingenden Gewinnweg. Bist du ein Wegabkürzer, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05504: Gewiefte Remistaktiker (SB)

Claus - Wolf
Freising 1994

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der argentinische Großmeister Miguel Najdorf war ein schlauer Schrankenbrecher, und so überwand er die weiße Stellung mit dem grandiosen Springerzug 1...Se4-f2!! Der Hintergrund ist folgender: Nimmt Weiß den Springer mit 2.Kg1xf2, so geht er nach 2...Dd8-h4+ 3.Kf2-f1 Lc6-b5+ sang- und klanglos unter. Sein Kontrahent versuchte sich daher mit 2.Sb4xc6 glimpflich aus der Affäre zu ziehen, doch nach 2...Sf2xd1! und dank der Mattdrohung 3..Te8-e1# gewann Najdorf die Qualität und nach hilfloser Gegenwehr schließlich auch die Partie.


Erstveröffentlichung am 04. Juli 2002

13. Juni 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang