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SCHACH-SPHINX/05509: Lebensnaher Legendenhintergrund (SB)


Das wissenschaftlich geschulte Auge des Historikers erkennt nur Tatsachen an. Was durch Dokumente und archäologische Funde belegbar ist, gilt ihm als Denkachse für seine Thesen. Von Mythologien und Legenden will er nichts wissen. Auch Schachgeschichtsforscher gehen in den meisten Fällen nach diesem Muster vor. Mit einer gewissen Herablassung amüsieren sie sich über den Legendenschatz der abendländisch-mittelalterlichen Literatur, in denen die Erfindung des Königlichen Spiels sagenhaften Regenten oder antiken Philosophen angedichtet wurde. Um Authentizität geht es Legenden jedoch nicht. Etwas anderes macht hier den Verstehenszusammenhang aus. So sah Neckam um 1180 im listenreichen Odysseus den Urheber des Schachspiels. Der Dominikanermönch Jacobus de Cessolis nannte etwa hundert Jahre später den orientalischen Philosophen Xerxes oder Philometer als den Urheber des Schachgedankens. Nach Cessolis diente die Erfindung des Schachspiels der Belehrung des grausamen, babylonischen Königs Evilmerodach. Attalus I., König Salomo, Aristoteles, Hyppokrates, Galenus, ja auch Adam, nach hebräischer Religion Erster der Menschen, soll in Trauer über den Tod seines Sohnes Abel Schach gespielt haben. Hintergrund all dieser Geschichtsfabulationen ist jedoch, ein ausgewähltes Wesensmerkmal des Schachspiels, das zu einer bestimmten Zeit oder in gewissen Gesellschaftsschichten hervorgehoben wurde, in einer historischen Gestalt widerspiegeln zu lassen. Es sind literarische Kunstgriffe, und sie sind beredt für den, der weniger an Fakten als vielmehr an den lebensnahen Legendenhintergrund interessiert ist. Auch im heutigen Rätsel der Sphinx könnte sich das Auge genötigt sehen, aus dem scheinbaren Gleichmaß der Stellung ein Remis ableiten zu wollen. Allein Schwarz war am Zug und zauberte einen feinen Gewinnweg hervor. Schwing' auch du, Wanderer, deinen Zauber- Wanderstab!



SCHACH-SPHINX/05509: Lebensnaher Legendenhintergrund (SB)

Gines - Trias
Fernpartie 1981

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Bei soviel grausamen Herrschaften vor seiner Haustür konnte die schwarze Majestät nicht lange bestehen, und so machte der russische Meister Khalifman mit 1.Tb2xb7+! Kb8xb7 2.Tc5xc7+! Kb7xc7 3.Da4xa7+ Kc7-c8 4.d5-d6 aller Sinnlosigkeit ein Ende.


Erstveröffentlichung am 09. Juli 2002

18. Juni 2015


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