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SCHACH-SPHINX/05543: Den Geist an die Götter verkauft (SB)


Beim Betrachten der menschlichen Kultur- und Geistesgeschichte möchte man nicht auf allzu vieles stolz sein. Wo fängt man da unter Schutthalden nach dem glänzenden Gold zu suchen an? Das antike Denken hatte den Geist an die Götter verkauft. In der christlich-römischen Zeit stellte man ein jenseitiges Heil über die Menschen und drohte zugleich mit dem Höllenpfuhl. Von Freiheit der Gedanken wieder keine Spur. In der Not besann sich der Mensch daraufhin auf seine eigenen Werte und nannte dies Erkenntnis. Statt eines ominösen Himmels versprach er sich vom Irdischen nun Gewinn und wurde Geschäftsmann, ein Mensch, der nach Macht und Profit gierte. In dieser Zerrissenheit meldeten sich nun die Philosophen vermehrt zu Wort, allen voran Friedrich Nietzsche, der verkündete: "Älter ist an der Herde die Lust als die Lust am Ich; und solange das gute Gewissen Herde heißt, sagt nur das schlechte Gewissen: Ich. Wahrlich, das schlaue Ich, das lieblose, das seinen Nutzen im Nutzen vieler will: das ist nicht der Herde Ursprung, sondern ihr Untergang." Von der Herde kam aber auch er nicht los. Allzu deutlich kontrastierte er sein Heil gegen die herdenmäßige Gewohnheit, überall dort zu grasen, wo es saftigst grünte. Als Eckensteher, vom Rande aus das Treiben kritisch beäugend, füllte auch er sich den Magen. Ein gegenteiliges Versprechen, wenn auch nihilistisch getrübt, ist und bleibt ein Versprechen. Die Tragik scheint kein Ende nehmen zu wollen. Vom Triumph des Denkens sprechen immer nur die Avantgardisten, ehe sie, von der Zeit besiegt und überrollt, in die Rumpelkammer der Geschichte abgeschoben werden. Neuerdings versucht man sich mit dem Intellekt aus der Klemme zu helfen. Gar schöpferisch und kreativ könne er sein. Vermischen sich nun Diesseits und Jenseits zu einem neuen Verdauungsmittel? Wieviele Lücken hat doch das, was wir gewohnt sind, Denken zu nennen. Ein Blick auf das heutige Rätsel der Sphinx beweist es. Meister Grünberg hatte zuletzt 1...Tf8-g8? gespielt, und lächelnd nahm sein Kontrahent Kindermann den Sieg entgegen. Du siehst, Wanderer, daß eine baut auf dem anderen auch hier nur auf.



SCHACH-SPHINX/05543: Den Geist an die Götter verkauft (SB)

Kindermann - Grünberg
München 1991

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Natürlich dachte Michail Tal nicht im geringsten daran, auf 1...Th8xh1 2.Td1xh1 zu erwidern. Statt dessen packte er die Schwäche der schwarzen Position an ihrer empfindlichsten Stelle mit 2.g5xf6!, worauf es schien, als würde der Nachziehende mit 2...Th1xd1+ 3.Sc3xd1 seine Meriten mehren können. Doch falsch gedacht! Denn auf 3...Da5xd2 folgte nun keineswegs 4.Le3xd2, sondern vernichtend 4.f6xg7!! Eben echt Tal! Nach dem erzwungenen 4...Ld7-c6 war der Sieg mit 5.g7-g8+ Ke8-d7 6.Dg8xc8+ Kd7xc8 7.Le3xd2 leicht errungen. Bei dem ganzen Tauschhandel hatte Tal nämlich zwei Figuren eingeheimst.


Erstveröffentlichung am 11. August 2002

22. Juli 2015


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