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SCHACH-SPHINX/05703: Langschläfer Yates (SB)


London 1927. Nebel krochen über die Straßen wie die Arme eines riesigen Gespenstes. Aber die Schachspieler, die sich beim Länderturnier eingefunden hatten, schreckte dies nicht. Viel zu sehr hingen ihre Augen an den Stellungen auf den Brettern. Von der Welt nahmen sie nichts wahr. Nur beim englischen Team war es anders. Dort schlich sich hektische Sorge auf die Gesichter. Ungeduldig warteten die Engländer auf das Eintreffen ihres Spielers Frederick Yates. Längst hätte er kommen müssen. Immer näher rückte der Zeitpunkt ihres Spiels. Yates aber kam und kam nicht. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als den Ersatzmann zu aktivieren - sehr zum Kummer übrigens des gesamten Teams. Der Ersatzmann verlor nämlich die Partie, und damit hatten die Engländer einen wichtigen Punkt eingebüßt. Schließlich und viel zu spät erschien Yates mit dicken Kummerfalten auf der Stirn. Er hatte schlichtweg den Wecker überhört und seelenruhig weitergeschlafen, während der Nebel aus der Themse sich gegen Mittag allmählich auflöste. Der Zorn der Engländer drückt sich bekanntlich nicht in heftigen Worten aus. Mit Blicken üben sie Vergeltung, und mit Blicken bestrafen sie Versäumnissen. Yates wurde an diesem Tag einfach - ignoriert! Nicht aber von der interessierten Bevölkerung. Die hatte sich etwas anderes ausgedacht, ohne Absprache und ohne Plan, und dennoch trafen nach einigen Tagen paketeweise Wecker mit schrillem Getöse ein, den Langschläfer an seine Pflicht gemahnend. Der indische Großmeister Viswanathan Anand hat einen leichten Schlaf. Jeden Wecker im Umkreis von 20 Metern hört er. Trotzdem kam er einmal verspätet zu einem Turnier: Er hatte die Zeit verwechselt. Statt um 13 Uhr war er erst um 3 Uhr nachmittags erschienen. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte er jedoch keine Schwierigkeiten mit Raum und Zeit. Sein Kontrahent Ftacnik hatte zuletzt das raffinierte Opfer 1...Sc4xb2!? gebracht, darauf spekulierend, daß er nach 2.Kb1xb2 Sc5-a4+ 3.Kb2-c1 Sa4-c3 4.Td1-d3 e6-e5 einen gefährlichen Angriff erhielt. Allein, er hatte etwas übersehen, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/05703: Langschläfer Yates (SB)

Anand - Ftacnik
Biel 1993

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Paul Keres ließ sich natürlich die Chance nicht nehmen, mittels 1.Tf4xg4! die schwarze Stellung zu überrennen. Sein Gegenspieler Eliskases mußte sich mit 1...Ld7xg4 2.Dd1xg4 auf das Vabanquespiel einlassen. Nun drohte jedoch 3.Dg4xg7+ Kg8xg7 4.Sh4-f5+ mit Sieg. Also eilte die schwarze Dame ihrem König zu Hilfe, aber es war bereits zu spät. Nach 2...Dd6-f6 3.Sh4-f5 Kg8-f8 4.Sf5xg7 Df6xg7 5.Dg4-h5 Sd5-f6 6.Dh5-h4 h6-h5 7.Tb1xb4 Ta8-c8 8.h2-h3 - schnell noch ein Luftloch vor der entscheidenden Kombination - 8...Tc8-c7 9.Tb4-b5 Te8-e6 - es drohte 9.Ld2-b4+ Kf8-g8 10.Tb5-g5 - 10.Tb5xh5! gab Eliskases resigniert auf, denn auf 10...Sf6xh5 erzwingt 11.Dh4-d8+ Te6-e8 12.Ld2- b4+ Tc7-e7 13.Lb4xe7+ das Matt.


Erstveröffentlichung am 16. Januar 2003

02. Januar 2016


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