Lustlosigkeit, massive Verweigerung der Kampfhandlungen - immer wieder kommen auf Turnieren Partien vor, die nach wenigen Zügen mit einem Friedenshandschlag beendet werden. Salonremisen nehmen etwas mehr Zeit in Anspruch, täuschen wenigstens eine gewisse Bereitschaft zum Spiel vor. Das Publikum gafft auf das Brett. Schließlich will es atemberaubende Kombinationen sehen. Was aber, wenn, wie beispielsweise im spanischen Barcelona 1989, gleich zwei Partien nach acht Zügen Remis gegeben werden? Beide Male hieß der Fahnenflüchtling und Spielverderber Speelman. Aber auch seine beiden Gegner Waganjan und Seirawan mußten sich ein Armutszeugnis ausschreiben lassen, denn sie hatten sich als Komplicen zu diesem billigen Coup hergegeben. Turniermüdigkeit könnte man allen dreien attestieren, aber warum dann nicht gleich nach dem ersten Zug zum Rückzug blasen? Wer weiß, vielleicht gäbe es dann wenigstens einen Guiness-Rekord für die feigste Partie des Jahrhunderts zu gewinnen. Zum Glück verweigerte der kampfentschlossene Garry Kasparow im selben Turnier die Hilfestellung zum baldigen Remis und zeigte dem englischen Filou, wie Partien gespielt und gewonnen werden. Auf zum heutigen Rätsel der Sphinx, Wanderer: Speelman hatte mit lustloser Attitüde den altindischen Aufbau verkorkst und beschwor nach seinem letzten unbedachten Zug 1...Sb4-c2 einen Sturm herauf.
Kasparow - Speelman
Barcelona 1989
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der im Spötteln versierte Siegbert Tarrasch war der Meinung, daß
Steinitz mit 1.Ld5-f7 nebst 2.Te4-e8+ einen gewissen Stellungsvorteil
hätte erlangen können.
Erstveröffentlichung am 21. März 2003
06. März 2016
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