Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05988: Nominalistenstreit (SB)


Die Ursachen werden sich sicherlich von der heutigen Warte aus nicht mehr hinlänglich in die Geschichte zurückverfolgen lassen, doch darf man mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, daß der Nominalistenstreit in der Bezeichnung der Eröffnungen von klerikaler Seite aus entfacht und betrieben worden ist. Ob nun mit spanisch, sizilianisch, italienisch die Ursprungsländer abgerufen oder mit Philidor, Aljechin, Nimzoindisch die Urheber und namhaften Vertreter ins Gefecht geführt werden, der barocke Überhang besticht durch Form und Vielfalt. Warum, so fragt der schlichte Gemütsmensch und hat in seiner Einfalt durchaus dem heiligen Nagel auf den Kopf gehauen, werden so unzählige Eröffnungsblasen in die Welt gesetzt, wenn sich deren Grundkonflikt in allen Fällen um die Beherrschung des Zentrums dreht? Zur Klarstellung des Schachverhalts und ihrer Beurteilung ließen sich unstrittig triftige Gründe anführen, doch unser Rousseauscher Naturmensch hat so Unrecht nicht. Schach- und Schöngeisterei waren hier durchaus am Werke und haben das grundlegende Problem aller Eröffnungen in eine diffuse Uferlosigkeit treten lassen. Zur Verklärung dürften in neuerer Zeit wesentlich die Herren Theoretiker und Autoren der zahlreichen Lehrbücher beigetragen haben. Auf einem breiten Themenfeld läßt sich der Rubel eben leichter rollen. Einer Begehbarmachung diente wildes Gestrüpp noch nie; es wächst auch ohne einen Namen, der jedoch wichtig ist für den Bau eines sakralen Doms über der erlösungsbedürftigen Frage nach der Herrschaft über Felder und Figuren. Also, Wanderer, nehmen wir einmal an, daß das heutige Rätsel der Sphinx einer Aljechin- Verteidigung entspringt, und nehmen wir ferner an, daß Meister Stoltz mit seinem letzten Zug 1.Tg1-e1 den schwarzen Zentrumsspringer ins Auge fassen wollte, so stellt sich doch unweigerlich die Frage nach dem fehlgeleiteten Pferdefuß, oder nicht?



SCHACH-SPHINX/05988: Nominalistenstreit (SB)

Stoltz - Colle
Veldes 1931

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Noch hockte die schwarze Majestät selbstgefällig in ihrem Ecktürmchen, doch nachdem Meister Bauer mit 1.Tg6xh6+! die erste Bresche ins Gemäuer hineinschlug, fiel nach 1...g7xh6 2.Dg2-g8+! Sf6xg8 3.Le6-f5# der ganze Bau zusammen. Und auch nach 1...Kh7xh6 2.Dg2-g5+ Kh6-h7 3.Dg5-h4+ Kh7-g6 4.f4-f5# wären von der stolzen Festung nur Trümmer übriggeblieben.


Erstveröffentlichung am 24. Oktober 2003

14. Oktober 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang