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SCHACH-SPHINX/06084: Speerspitze der Strategie (SB)


Die Kommentatoren einer Partie haben es leicht. In aller Seelenruhe und mit der nötigen Distanz können sie aus den Zügen der Meister die tollsten Gedanken und Manöver ausdeuten. So entstehen mehrzügige Ungeheuer mit gefährlichen Hydraköpfen, die sich nicht besiegen lassen, oder durchtriebene Züge, die einmal ersonnen, viel später, manchmal gar erst im weit entfernten Endspiel, ihre volle verderbenbringende Frucht tragen. Wie gesagt, der Kommentator steht ja bereits vor dem vollendeten Werk. Er kann es sich leisten, gönnerhaft zu sein, hier Lob zu streuen und dort vernichtende Kritik auszuschütten. Zu zittern braucht er nicht um den Fortgang der Partie, so wie es die Spieler taten, die in ihrer Unsicherheit zuweilen zu Manövern griffen, die sie selbst nicht verstanden. Was dann wie aus einem Guß erscheint mit der Feder des Kommentars, war in Wirklichkeit oft ein Husarenritt ins Unbekannte, ein auf gut Glück gemachter Wurf, ein blindes Herantasten in einer Dunkelheit ohne Licht. Man täusche sich nicht, solche Züge, die es dem Gegner überlassen, im Chaos einen Pfad zu suchen, mithin das Lavieren, können durchaus von hohem Wert sein. Je konsequenter der Gegner in die Zwangslage einer Entscheidung manövriert wird, ohne daß man sich selbst in die Karten sehen läßt, desto konkreter wird der eigene Gewinnweg. Kein Widerspruch in sich, es ist dies die Speerspitze der Strategie. Im heutigen Rätsel der Sphinx mußte sich Meister Sämisch auch erst einmal durch einen ganzen Urwald an Unwägbarkeiten durchschlängeln, ehe sich folgende Stellung ergab. Mit 1.f5-f6 hätte Sämisch nun leicht gewinnen können, gäbe es da nicht die handfeste Erwiderung 1...Dc7-c5+ mit Damentausch. Also, Wanderer, wie kam Sämisch dennoch zu seinem Sieg?



SCHACH-SPHINX/06084: Speerspitze der Strategie (SB)

Sämisch - Ahues
Hamburg 1946

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Mit 1...g6-g5! erzwang Meister Gligoric die für Weiß verhängnisvolle Öffnung der g-Linie, denn 2.Tf2-g2 scheiterte, wie leicht zu ersehen, an 2...Tb8-b1+ nebst 3...Tb1-b2+ Sein Kontrahent Teschner spielte also notgedrungen 2.Df4xg5+ Kg8-h8 und mußte sich nun der vernichtenden Drohung Tf8-g8 stellen. Eine befriedigende Antwort gab es nicht. 3.Se3- g4 hätte noch den zähesten Widerstand geleistet. Teschner zog jedoch 3.Se3-c2 und gab nach 3...Le6-h3! mit der Mattdrohung 4...Tb8-b1# unverzüglich auf.


Erstveröffentlichung am 27. Januar 2004

18. Januar 2017


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