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SCHACH-SPHINX/06108: Eine Frage des Charakters (SB)


Anscheinend bemüht sich jeder Schachspieler, in eine Partie etwas Individuelles hineinzulegen, das klar erkennen läßt, daß er es war, der diese Partie gespielt, ihr zumindest den dominanten Stempel aufgedrückt hatte. Da Laien in ihrem Stil vielen Launen und Gesichtern unterworfen sind, streben ihre Partien in der Regel nach ganz unterschiedlichen Richtungen hin, die eine Wiedererkennung von vornherein unmöglich machen. Wie sieht es aber bei den Großmeistern aus? Die Frage, ob man mit Kennerblick eine Art Handschrift aus den Partien herauslesen könnte, hatte der PCA-Weltmeister Garry Kasparow unstrittig bejaht: "Also ich glaube, daß man beim Schachspiel seinen Charakter zeigt, egal, was man im Leben tut, was man beruflich tut. Man zeigt seinen Charakter und nach nur wenigen Zügen erkennt man, daß ist Kasparow und nicht Karpow. Das sehen sie in unserem Ansatz im Spiel, aber das Schachspiel hat irgendwo seine eigene interessante philosophische Geschichte, denn es entstand ja in Indien, vor 1500 Jahren, und dann bewegte es sich in zwei Richtungen, nach Westen und nach Osten. Und es ging durch die arabischen Länder, über die iberische Halbinsel, kam nach Europa, und unterwegs hat dieses Spiel sich immer wieder angepaßt an den soziologischen, kulturellen Hintergrund des Gastlandes sozusagen, und das Schach begann, oder sagen wir anders, als langsames Militärspiel und endete dann als der dynamische, psychologische Krieg, wie man ihn in Europa führt. Und ich glaube, wenn man alle Versionen zusammennimmt, die japanische, die chinesische, die thailändische, die europäische, die alte arabische, dann kann man eine Menge aussagen über die Gesellschaft, in der jeweils Schach gespielt wurde, die Mentalität, den Charakter der Menschen." Im heutigen Rätsel der Sphinx soll die Probe aufs Exempel gemacht werden. Also, Wanderer, erkennst du, ob ein Meister oder ein Laie es war, der zuletzt den weißen Damenspringer nach d5 befördert hatte?



SCHACH-SPHINX/06108: Eine Frage des Charakters (SB)

Zell - Klundt
Deutschland 1980

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Garry Kasparow konnte die Partie mit einem Schwenk seiner Dame rasch zu einem Ende bringen. Nach 1.Tb4xc4 d5xc4 2.Dg3-d6! drohte plötzlich ein Matt von d2 aus. Was half es Karpow da, daß er 2...c4-c3 zog, nach 3.Dd6-d4 konnte Kasparow ebensogut von e3 aus Schluß machen. Karpow nahm ihm jedoch diese letzte Mühe ab und gab sich sofort geschlagen.


Erstveröffentlichung am 19. Februar 2004

11. Februar 2017


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