Für gewöhnlich hat ein Bauer nur ein Ziel im Kopf: Flugs übers Feld rüber und sich in spätestens sechs Zügen in eine Dame verwandeln. Daran ist nichts Anrüchiges. Schließlich hieß die Dame bei den Arabern Fers und war der Wesir und Ratgeber des Königs. Daß ein Niedriggeborener in dieses Amt hineinschlüpfen konnte, mußte also als hohes Verdienst gewertet werden. Indes, zuweilen bringt Bescheidenheit den größeren Lohn. "Unterverwandlung" heißt es im Schach, wenn ein Bauern eben nicht in eine Dame geht, sondern sich mit der Verwandlung in einen Turm, Läufer oder Springer begnügt. Häufig kommt dieser Fall in der praktischen Partie allerdings nicht vor. Angeraten ist solch eine Unterverwandlung in Fällen, wenn eine neue Dame die Partie in ein Patt schicken würde, was ein rechtes Dilemma wäre. Dann gibt es noch die wenigen Ausnahmesituationen, wo ein weniger hoch geadelter Bauer mit einer Schlußpointe das Matt erzwingt. Zumeist verwandelt sich der Bauer dann in einen Springer und besiegelt so das Schicksal der Partie wie im heutigen Rätsel der Sphinx. Weiß hatte zuletzt 1.Kg1-h2 gezogen und ahnte nicht, welches Unheil er damit auf sich heraufbeschwor. In der Tat, es war auch nicht leicht vorauszusehen, Wanderer.
Janice - Uedemann
St. Louis 1902
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Ob sehend oder nicht, im Geiste werden schließlich die
Gewinnkombinationen geboren, und so konnte Meister George Koltanowski
auch im Blindschach den entscheidenden Zug 1.c4-c5! finden. Wegen der
unabwendbaren Drohung 2.c5-c6, infolgedessen eine Figur verlorengeht:
2...b7xc6 3.Lg2xc6 nebst Sc3-e4-c5, gab Schwarz sofort auf.
Erstveröffentlichung am 09. Mai 2004
3. Mai 2017
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