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SCHACH-SPHINX/06276: Mit dem Lächeln einer Spinne (SB)


Mittlerweile hat Viktor Kortschnoj sein Temperament besser im Griff. So leicht wie früher würde er sich nicht mehr zu Wutausbrüchen hinreißen lassen. Sein Blut liefe in ruhigeren Bahnen, betont er gerne, wenngleich er noch weit davon entfernt ist, eine Ehrenmitgliedschaft in einem Philosophenzirkel angeboten zu bekommen. Mit dem Alter kam bei ihm das Wissen um die Kraft der Vergebung. Dem anderen nicht mehr ins Gesicht schreien, nein, das ist ihm heute zu vulgär, zu abgedrossen; spinnenhaft lächeln und an den Fäden seiner Überlegenheit ziehen, paßt besser zum in die Jahre gekommenen Kortschnoj. Mit einem gewissen Schmunzeln erinnert er sich der Tollheiten seiner Vergangenheit. Ja, Brüssel 1987, da war die Empörung mit ihm durchgegangen. Anatoli Karpow, sein tiefverwurzelter Intimfeind, saß ihm seinerzeit gegenüber. Die Stellung stand in der Schwebe, entschieden war noch nichts, aber wie Kortschnoj so im Grübeln steckte, berührte er versehentlich den eigenen König. Streng ist die Regel und Karpow machte sie sofort für sich geltend. Eine Brücke zur Annäherung gab er nicht. Berührte Figur muß gezogen werden, so lautet die grause Notwendigkeit. Nun hätte ein Königszug den Verlust seines Springers zur Folge gahabt. Das Fortsetzen der Partie wäre dann zur Posse geworden. Also fegte der erzürnte Kortschnoj mit einer wilden Handbewegung alles, was auf dem Tisch stand - Brett, Figuren, Gläser, Aschenbecher -, zu Boden, erhob sich fluchend und trottete davon. Was hätte Kortschnoj wohl heute gemacht, gereift, wie er nun ist? Vielleicht seinen Kaffee über das Brett ausgeschüttet? Im heutigen Rätsel der Sphinx ging alles gesitteter zu. Kortschnoj verlor zwar mit den weißen Steinen, sah jedoch keinen Grund, ein grausames Lächeln auf seine Lippen treten zu lassen. Sein Kontrahent Tolusch hatte ihn durchaus "fair" über den Löffel barbiert, Wanderer!



SCHACH-SPHINX/06276: Mit dem Lächeln einer Spinne (SB)

Kortschnoj - Tolusch
Riga 1958

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Im reizenden Biel mit seiner weltmännischen Offenheit ist jeder seines Glückes Schmied, sofern er das Handwerk versteht. Unser Schachfreund Zimmermann besaß einen robusten Sinn fürs Notwendige und bestrafte den fehlerhaften Zug 1...h7-h6? mit 2.Sg5xf7! Dc7xf7 - 2...Ke8xf7 3.Le2xg4 Sf6xg4 4.Db3xe6# oder 2...Lg4xe2 3.Db3xe6+ Sc6-e7 4.Te1xe2 - 3.Le2xg4 Sf6xg4 4.Te1xe6+ Ke8-d8 5.Db3-d5+ und Schwarz gab auf, weil 5...Df7-d7 6.Te6-d6 ebenso unersprießlich war wie 6.Te6xc6+ nach schwarzen Königszügen.


Erstveröffentlichung am 04. August 2004

29. Juli 2017


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