Spiritualität und Schnaps, in beiden klingt das Wörtchen Geist mit, und da der Körper schließlich notwendige Brücke ist zu geistigem Höhenflug, sprachen nicht wenige hochangesehene Großmeister dem Alkohol auch in stärkeren Dosierungen zu. Nicht immer war es Bier, das die Kehle herunterfloß, auch Hochprozentiges diente einigen als Gleitmittel in die lichtigen Sphären der Gedankenblitze und hellen Einsichten. Daß Alexander Tschigorin als standfester Russe sich seinen Wodka nicht nehmen ließ, ist klar. Seinem Kombinationstalent hat es nicht geschadet. Auch der leider viel zu früh verstorbene Karl Walbrodt, Gastwirt in Berlin, griff hin und wieder gern und mit lustiger Kehle auf seinen Kellervorrat zurück. Daß er dann die Figuren zuweilen doppelt sah und Kombinationen mit Loch fabrizierte, sei ihm verziehen. Neben dem Ex-Weltmeister Alexander Aljechin war insbesondere der Schwede Gösta Stoltz für seine alkoholische Sattelfestigkeit berüchtigt. Er trinke, um sich besser konzentrieren zu können, behauptete er. Nun, sattelfest war er nicht immer. Bei der Schacholympiade von 1952 mußte er auf seinem Stuhl fast angeschnallt werden. Da kein würdiger Ersatzmann zur Hand war, vertrauten seine Teamkollegen auf Stoltz' "verfeinertes Gefühl für das taktisch Unwahrscheinliche", wie ihn Aljechin nach dem Turnier in München 1941 lobte. Jedenfalls blieb Stoltz lange genug auf dem Stuhl, um eine der schillerndsten Partien der Schachgeschichte zu spielen. Im heutigen Rätsel der Sphinx soll diese hochprozentige Partie noch einmal zu Ehren kommen. Sein Kontrahent Steiner hatte mit seinem letzten Zug 1...Tf6-g6 gezogen, ein Zug, der den Schweden zu einem ätherischen Geistertanz auf dem Brett inspirierte, Wanderer.
Stoltz - Steiner
Olympiade 1952
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Schein sollte Efim Bogoljubow täuschen, denn nach 1.Lg3-h4+ Ke7-
e8! 2.Sc5-e6 Ke8-d7! hingen nach wie vor zwei weiße Figuren, so daß
der alte Schlachtenveteran nach 3.Se6-f4 Sc2xa1 4.Sf4xg6 Ta8-e8! 5.Lh4-
f2 Sa1-c2! 6.Sg6-f4 Sc2-b4 für die verlorene Qualität samt Bauern
keinen Ersatz hatte und aufgab.
Erstveröffentlichung am 6. Januar 2005
1. Januar 2018
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