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SCHACH-SPHINX/06460: Schlinge und Rechtfertigung für alles (SB)


Die Launen der Großmeister sind eine Welt für sich, schattenreich, verworren und zuweilen regelrecht unverschämt. Man nehme beispielsweise den Ex-Weltmeister Alexander Aljechin. Von den Musen beschenkt, wie er sich sah, konnte er sich schwarz ärgern, wenn er eine Partie verlor, die er seiner Meiung nach nie und nimmer verlieren dürfte. Und weil das menschliche Denken oft und wohl auch unausrottbar im Gegenüber den Schuldigen für die eigenen Verfehlungen kartographiert - man erinnere sich da nur an den Brauch des Sündenbockes der alten Hebräer -, werden die Argumente solange durch den Fleischwolf gedreht, bis man im Brei die Bestätigung findet. In Pistyan 1922 mußte sich Aljechin gegen Savielly Tartakower geschlagen geben. Doch statt, wie es die Höflichkeit gebietet, dem Sieger zu gratulieren, ließ Aljechin seinem Zorn freien Lauf: "Mit solch einem Patzer will ich nicht spielen. Tartakower hat seine Züge gleichgültig gemacht und ohne Ehrgeiz um ein Remis gekämpft. Dies ist mir einfach zuwider. Ich habe die Lust am Spielen verloren, und, natürlich, einen groben Fehler gemacht." Ach, wie überfrachtet ist doch dies unschuldige Wörtchen "natürlich"! Es muß für alles herhalten, ist Schlinge und Rechtfertigung für die größten Gemeinheiten. Mit einem milden, salomonischen Lächeln und um den Hang menschlicher Ausreden wissend, erklärte denn auch Tartakower hinterher: "Wer Schach spielt, hat viel Freude im Leben, wer kein Schach spielt, erspart sich viel Ärger im Leben." Im heutigen Rätsel der Sphinx war der sowjetische Meister Lewtschenko jedenfalls großzügig genug, seine Fehler zuzugeben - Voraussetzung für jedes Lernen. Denn sein Kontrahent Sweschnikow, mit den schwarzen Steinen spielend, gewann schließlich mit einer hübschen Kombination, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06460: Schlinge und Rechtfertigung für alles (SB)

Lewtschenko - Sweschnikow
UdSSR 1969

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Auch Großmeister können sichere Endspiele vergeigen. Auf 1...b5-b4 geschah 2.a3xb4?? c5xb4 3.Kh5-h6 a4-a3 4.e6-e7 - 4.b2xa3 b4xa3 5.e6-e7 Kf6xe7 6.Kh6-g7 a3-a2 7.f5-f6+ Ke7-d7 8.f6-f7 a2-a1D+ - 4...Kf6xe7 5.Kh6-g7 a3xb2 6.f5-f6+ Ke7-d7 7.f6-f7 b2-b1D 8.f7-f8D Db1-g1+ und Quinteros gab auf, denn Damentausch war nicht zu vermeiden: 9.Kg7-h6 Dg1-e3+ 10.Kh6-h5 De3-e8+ - und dann liefe der schwarze Bauer zur nächsten Dame.


Erstveröffentlichung am 3. Februar 2005

29. Januar 2018


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