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SCHACH-SPHINX/06519: Opfer der eigenen Ungeduld (SB)


Es ist heutzutage unbestritten, daß der Rigaer Meister Aaron Nimzowitsch (1886-1935) mit seinen für die damalige Zeit fragwürdigen Konzepten und Strategien den Grundstock für die Entwicklung des modernen Schachgedankens gelegt hatte. Daß es Nimzowitsch trotz seines geschärften Blickes nie gelang, den Thron zu besteigen, daß er stets hinter seiner Mammutkonkurrenz Capablanca und Aljechin zurückblieb, hatte weniger mit der Unausgereiftheit seiner Ideen zu tun, als vielmehr damit, daß der für seine Launen und Mutwilligkeiten berüchtigte Lette in der Ungeduld seinen eigentlichen Rivalen selten bezwingen konnte. Viele Partien verdarb Nimzowitsch, weil er Abkürzungen suchte für den langen Kampf bis zum Sieg. Glaubte er sie dann gefunden zu haben, so folgte er ihr wie eine Motte zum Lichte nach und verbrannte sich die Flügel, weil das Erstrebenswerte nicht immer mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Einer seiner ärgsten Gegner auf dem Brett war der kubanische Weltmeister José Capablanca, von dem das Gerücht ging, unbesiegbar zu sein. Wohl mag Nimzowitsch über solchen Aberglauben gelächelt haben, wenn es dann jedoch zur Bewährungsprobe kam, stahl sich doch ein Splitter davon in sein Denken, trübte die Urteilskraft und machte, daß Capablancas Nimbus fortbestand. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte sich der Lette erneut auf einen abenteuerlichen Ritt eingelassen, zunächst einen Bauern gewonnen, dann jedoch infolge einiger Ungenauigkeiten die Qualität eingebüßt. Mit seinem letzten Zug 1.Td1-e1? gab er dann vollständig das Kommando an den wachsamen Kubaner ab, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06519: Opfer der eigenen Ungeduld (SB)

Nimzowitsch - Capablanca
St. Petersburg 1914

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die Gewinnkombination hätte nach 1...Ke8-d8 zwar einiges von ihrer Strahlkraft eingebüßt, nichtsdestotrotz zum Gewinn ausgereicht: 2.Te7xd7+! Kd8-c8 - 2...Kd8xd7 3.Ld3-f5+ Kd7-e8 4.Lf5-d7+ Ke8-d8 5.Ld7xc6+ nebst Matt - 3.Td7-d8+! Kc8xd8 - 3...Tg8xd8 4.g2xf3 oder 3...Sc6xd8 4.Da4-d7+!! - 4.Ld3-e2+ Sc6-d4 5.Le2xf3 Lb7xf3 6.g2-g3 Lf3xd1 7.Da4xd1 und das Endspiel ist für Weiß gewonnen. Weniger klar hingegen wäre 4.Ld3-f5+ Df3xd1+ 5.Da4xd1+ Sc6-d4 6.g2-g3 Tg8-g5! 7.Lf5- h3 Lb7-f3! gewesen.


Erstveröffentlichung am 2. April 2005

29. März 2018


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