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SCHACH-SPHINX/06541: Blasser als ein Nebelstreifen (SB)


Seinen Thron hatte er noch retten können, der FIDE-Weltmeister Anatoli Karpow, wenn auch mit Mühen und dank des Turnierreglements. Doch die Schachuhr läuft weiter, Sekunde um Sekunde, von Turnier zu Turnier. Zu den Jüngsten zählt Karpow bei Gott längst nicht mehr, auch wenn er noch keine Einladung von einem Senioren-Club erhalten hat. Man wird in der Zukunft vielleicht an Karpow zurückdenken als eines Weltmeisters zwischen zwei Fronten. Die alte und die neue Zeit bilden in ihm einen Schnittpunkt. Nicht so sehr seine aufreibenden Zweikämpfe mit Garry Kasparow werden spätere Schachhistoriker interessieren, ihre Neugier wird vielmehr dem Umstand gelten, daß Karpow wie kein anderes gekröntes Haupt in der Schachgeschichte die blassesten Konturen zurückließ, daß seine "Amtszeit" belebt und bewegt war, er jedoch in kaum prononcierter Weise Anteil daran hatte. Er kam, sah und ging, wird man sagen, und hinterließ neben einigen unbedeutenden Skandalen, die zumeist von seinen Gegenspielern inszeniert wurden, weder in Wort noch Tat Aufsehenerregendes. Graue Maus, wird man ihn vielleicht nennen wegen fehlender Charakterauffälligkeiten, einen, der mit der Zeit ging, sich hier und da ein wenig gegen die Veränderungen sträubte, dann jedoch wie ein Schatten im Sonnenlicht verschwand. An seinen Niederlagen wird man ihn messen, denn wo er siegte, fehlte oftmals die ins Auge springende Genialität. Er war schwer zu besiegen, aber seine Niederlagen schrieben Geschichte. Es geht ihm dann vielleicht so wie Capablanca, der selten bezwungen und selten Grandioses leistete - seien wir einmal ehrlich. Im heutigen Rätsel der Sphinx wurde Karpow vom französischen Großmeister Joël Lautier dank eines hübschen Angriffsmanövers aus den Angeln gehoben. Karpow gewann zwar das Turnier, Lautier dagegen die Sympathien des Publikums. Also, Wanderer, die weiße Stellung steht zum Aufbruch bereit!



SCHACH-SPHINX/06541: Blasser als ein Nebelstreifen (SB)

Lautier - Karpow
Dortmund 1993

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
13 Jahre erst, aber einen Blick wie ein alter Fuchs, so gewann der ungarische Jungmeister mit 1...Sc6-d4! 2.Le3xd4 Lg7xd4 3.Lf1-e2 Ld4xb2 4.Df3-g4+ Kg8-f8 5.Sc1xb3 - 5.Ta1-b1 b3xa2 - zunächst die Qualität mit 5...Lb2-c3+ 6.Ke1-f1 Lc3xa1 7.Sb3xa1 Ta8xa2 8.Sa1-b3 Ta2-b2 9.Le2-d3 Tb2xf2+ - noch besser wäre 9...Se4xf2! 10.Dg4-d4 Sf2xd3 11.Dd4xh8+ Kf8- e7 gewesen - 10.Kf1-g1 Tf2-b2 11.Dg4xe4 Tb2xb3 12.Kg1-f2 Tb3-b2+ 13.Kf2-f3 De8-d8 14.Th1-e1 Th8-g8 15.Ld3-f1 Dd8-f6+ 16.Kf3-e3 Df6-c3+ schließlich die Partie.


Erstveröffentlichung am 24. April 2005

21. April 2018


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