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SCHACH-SPHINX/06709: Spurenlese der eigenen Seele (SB)


Hinter die Absichten zu kommen, die der Gegner einesteils verbirgt, mit seinen Zügen jedoch halb auch offenlegen muß, das könnte eines der Ideen zur Entstehungsgeschichte des Schachspiels gewesen sein. An dieser Grenze begegnet man auch dem allzu menschlichen Umstand der Gleichgültigkeit. Der andere wird unterschätzt, nicht ernstgenommen in seinen Plänen und schlechterdings mit Ignoranz bedacht. So laufen gerade Partien unter Anfängern der Kunst aneinander vorbei. Jeder spielt für sich, als gäbe es keine Bedrohung, kein Achtgeben, keine sinnvoll gestaltete Annäherung. Die Gesetze der Schachkunst sind ja erst viel später hineininterpretiert worden, stellen also bestenfalls eine Reflexion der zeitgeschichtlichen Ansichten und Konzepte hinsichtlich der strategischen Ideen dar. Das Schachspiel ist viel älter als diese halbwissenschaftlichen, halb-empirischen Darlegungen. Schach ist zunächst einmal eine Begegnungsstätte zweier Individuen. Hier erproben sich Menschen in ihren Denkmöglichkeiten, treffen auch auf ihre Beschränkungen. Kein Zug ist schlecht oder gut, wenn man nicht zu verstehen versucht, warum der andere einen Zug ausgeführt hat. In die fremde Gedankenwelt hineinzuhorchen, mit allen Sinnen und aller Verstandesschärfe zu ergründen, warum sich Züge in einer bestimmten Art und Weise entwickeln - ist Spurenlese auch der eigenen Seele. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte es der Nachziehende versäumt, auf seinen Kontrahenten einzugehen. Er spielte nicht nur weitgehend planlos, sondern auch wie eine Maschine, die in einem Räderwerk gefangen ist. Für Weiß war es daher leicht, da er sich mehr Mühe gab beim Erfassen der Hintergründe, einen entscheidenden Angriff zu organisieren, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06709: Spurenlese der eigenen Seele (SB)

Faragó - Saizew
Sotschi 1980

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Salo Flohr konnte nach 28.e4-e5! f6-f5? 29.Tc5-c8! um eine Erkenntnis reicher aus der Turnierhalle flüchten. Aljechins letzter Zug gewann einen ganzen Turm. Flohrs Leiden hatte ein Ende.


Erstveröffentlichung am 9. Oktober 2005

8. Oktober 2018


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