Das europäische Festland ehrte die Figur des Läufers nie dergestalt, wie man es in England tat, wo sie zum Bischof avanchierte und aller Ehren wert befunden wurde. In Europa ging man ungnädiger mit ihr um. Ohnehin war sie im mittelalterlichen Schach die schwächste aller Figuren. Sie konnte nur diagonal ins dritte Feld rücken, dabei jedoch über eigene oder fremde Steine hinwegspringen. Die Benennung Läufer stammt aus dem Französischen und ist die wortgetreue Übersetzung von "kurrier". Was den Läufer in den Augen des Mittelalters dubios erscheinen ließ, war seine hinterhältige Gangart. Der schräge Zug und die verstohlene Art ihres Einsatzes machten aus dieser Figur in den Schachgedichten jener Zeit so etwas wie einen Dieb oder heimtückischen Spion. Auch später, nachdem der Wandel der Zeit aus dem kurzschrittigen Läufer eine langschrittige Figur gemacht hatte, verlor sie ihren gemeinen Ruf nicht, denn nun kam sie nicht verstohlen daher, sondern 'tötete' aus weiter Distanz. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte der Nachziehende zuletzt 1...Sc6-a5 gespielt. Er hätte sich vielleicht doch an die alten Schachgedichte erinnern sollen, Wanderer!
Palatnik - Adamski
Kiew 1978
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die kompromittierende Position des weißen Königs erlaubte einen
hübschen Angriff: 1...Tf8xf3! 2.Sd4xf3 Lg4xf3 3.Dd3-c2 - natürlich
nicht 3.Dd3xf3? wegen des Familienschachs 3...Sc6-e5+; nun geriet der
weiße König freilich in ein Mattnetz - 3...Lf3-e2+ 4.Kc4-d5 Sc6-b4+
5.Kd5-d4 - 5.c3xb4 Db2-e5# - 5...e7-e5#
Erstveröffentlichung am 5. August 2006
25. August 2019
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