Das Schachspiel läßt sich durchaus begreifen als eine wesentliche gesellschaftliche Weiter- und Höherentwicklung der aus dem magischen Bereich ursprünglich herrührenden Würfelspiele. Der Versuch, den Zufall mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und so aus der dunklen Zukunft verwertbare Informationen für die Gegenwart herbeizubeschwören, wird im Schachspiel auf eine menschliche Qualität, das reflektierende Denken, zurückgebracht. Der Zauber findet nicht mehr äußerlich im Ritual statt, sondern wird in der Gedankenwelt mit allen Absichten und Wertbestimmungen verinnerlicht. Umfaßt wird damit auch eine größe Menge von Menschen. Der Magier als Einzelperson verblaßt und tritt gänzlich zurück zu Gunsten der Vielzahl. So ist es kein Wunder, daß die astromonische Unberechenbarkeit der Schachzüge auf viele Gehirne übertragen wird. In der Auseinandersetzung von Mensch zu Mensch blickt uns dennoch ein kleiner Schimmer des einst magischen Ursprungs an. Allerdings ist es nicht mehr die Wirklichkeit, die hier ins Zaumzeug genommen werden soll wie im alten Zauber, sondern der befristete, auf Erfolg ausgesponnene Wunsch nach persönlicher Verwirklichung. Im heutigen Rätsel der Sphinx meisterte Weiß dergestalt die scheinbare Drohung im letzten Zug von Schwarz, der 1...Sb8-c6 gezogen hatte, auf eine weitreichende Weise, Wanderer.
Gaida - Groiss
Fernpartie 1982
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Vorhang fiel und in einem letzten Aufzucken begriff Weiß seinen
folgenschweren, katastrophalen, nicht wiedergutzumachenden Fehler:
1.Dd4-d2? Da5xa3! und Weiß gab auf. Nach 2.b2xa3 Lc5xa3# wird er Matt
und gegen die Drohungen 2...Da3-a1# und 2...Lc5xe3 gab es keine
Verteidigung mehr.
Erstveröffentlichung am 14. November 2006
4. Dezember 2019
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