Michail Tschigorin und David Janowsky waren nicht nur grundverschieden im Charakter, sie besaßen auch entgegengesetzte Spielfassungen. Tschigorin bevorzugte den wissenschaftlichen Stil. Bis ins kleinste hinein schlüsselte er eine Stellung auf, hob die Bauernnuancen hervor, legte jedoch besonderen Wert auf die Dynamik der Figuren. Wichtig war ihm, daß mit denkerischer Genauigkeit vorgegangen wurde. Janowsky war indes ein ganz anderer Typ. Er favorisierte, ähnlich wie Tschigorin, zwar auch ein lebhaftes Figurenspiel, betonte jedoch das waghalsige Moment in einer Partie. Opfer zu bringen, war ihm ein inneres Bedürfnis, und er bestand nicht darauf, daß sich alles exakt berechnen ließ. Von Natur aus war Janowsky ein Spieler, der das Risiko liebte, und danach verfuhr er auch auf Turnieren. Beide Meister hatten jedoch eine Gemeinsamkeit, derer sie sich nicht rühmen konnten. Mehrmals hatten beide um die Weltmeisterschaft gekämpft, und beide verloren jedesmal. Im heutigen Rätsel der Sphinx trafen beide aufeinander, und der wissenschaftliche Stil Tschigorins setzte sich durch. Also, Wanderer, der Russe spielte mit den weißen Steinen und gewann in zwei Zügen die Partie.
Tschigorin - Janowsky
Paris 1900
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der 86jährige Großmeister Miguel Najdorf nutzte nach 1...Sf6-g4 die
Schwäche des Feldes f7 für eine überraschende Gewinnwendung: 2.De3-f4
Sg4xe5 3.Sc4xe5 Sd7xe5 4.Sc3-d5 Dc7-d6 5.Tc1xc6! und Schwarz gab auf,
da er nach 5...Dd6xc6 6.Sd5-e7+ die Dame, andernfalls jedoch den
Springer auf e5 verliert.
Erstveröffentlichung am 27. Februar 2007
19. März 2020
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang