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FORSCHUNG/149: Auf die Schnelle gedacht (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 13. September 2010

Auf die Schnelle gedacht

Starke Verbindungen zwischen den Gehirnarealen, die an Entscheidungen beteiligt sind, erleichtern möglichst schnelle und richtige Antworten.


Entscheidungen sind ein Balanceakt - vor allem, wenn es schnell gehen muss. Dann müssen wir intuitiv auch abwägen, auf wie viel Genauigkeit wir verzichten können, damit unser Entschluss nicht zu spät kommt. Den goldenen Mittelweg zwischen einer schnellen und einer korrekten Entscheidung finden Menschen offenbar leichter, wenn ihre Großhirnrinde durch starke Nervenfasern mit jenen Gehirnarealen verbunden ist, die die Verarbeitung von Reizen steuern. Das haben Neurowissenschaftler und mathematische Psychologen am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig zusammen mit Kollegen von den Universitäten in Amsterdam, Bristol und Newcastle (Australien) herausgefunden. (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 23.08.2010).

Starke Verbindungen zwischen Gehirnarealen, erleichtern schnelle Antworten. - Bild: © MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften

Abb.: Abbildung 1. A) Die Visualisierung des Subthalamischen
Nucleus (rote Pfeile) gelingt mit ultra-hochaufgelösten strukturellen
Magnetresonanztomografie-Aufnahmen bei 7 Tesla. B) Die individuelle
Flexibilität bei der Balancierung zwischen schnellen und akkuraten
Antworten ist abhängig von der Verbindungsstärke zwischen
verschiedenen Gehirnregionen: dem prä-supplementär-motorischen Areal
(prä-SMA) und den Basalganglien, speziell dem anterioren Striatum (grün).
Bild: MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften

Die meisten von uns wissen, was es heißt, Entscheidungen unter Zeitdruck treffen zu müssen: Wir versuchen, zwischen schnellen oder möglichst genauen Lösungen abzuwägen. Dabei gibt es große individuelle Unterschiede: So finden einige Personen sehr gut die richtige Balance zwischen schnellen und akkuraten Antworten, andere sind dagegen weniger effizient. Wie Wissenschaftler nun herausgefunden haben, hängt das individuelle Entscheidungsverhalten mit strukturellen Verschiedenheiten im Gehirn zusammen. Ausschlaggebend ist die Stärke der Faserverbindungen zwischen einem Areal in der Großhirnrinde und den Basalganglien. Bei denjenigen Personen, die leicht einen Mittelweg zwischen schnellen und richtigen Entscheidungen finden, lassen sich stärkere Faserverbindungen nachweisen als bei Menschen, die sich damit schwerer tun. Die Studie liefert einen wichtigen Beitrag für das generelle Verständnis von Hirnfunktionen.

Für ihre Studie untersuchten die Forscher insgesamt neun Versuchspersonen mithilfe von ultra-hochaufgelöster Magnetresonanztomographie (MRT) und verwendeten dabei zwei verschiedene Magnetfeldstärken von sieben beziehungsweise drei Tesla. Ziel der Sieben-Tesla-MRT war es, einen winzigen Kern in den Basalganglien bildlich darzustellen, den sogenannten Subthalamischen Nucleus. Basalganglien sind Kerne beziehungsweise Kerngebiete, die in beiden Hirnhälften unterhalb der Großhirnrinde liegen. Sie sind wichtig für die Regelung motorischer, kognitiver und limbischer Funktionen. Der Subthalamische Nucleus spielt bei der Steuerung unseres Handelns eine wichtige Rolle. Die Drei-Tesla-Messungen dienten dazu, die Stärken der Verbindungsfasern zwischen dem Subthalamischen Nucleus, dem Striatum - einer wichtigen Schaltstelle im Gehirn - sowie Arealen der Hirnrinde zu berechnen.

Neben den Untersuchungen im Magnetresonanz-Tomografen nahmen die Probanden an Verhaltensexperimenten teil. Zu Beginn jedes Versuchsdurchgangs wurden sie angewiesen, entweder besonders schnell oder möglichst akkurat zu entscheiden. "Die Versuchspersonen mussten per Tastendruck beurteilen, ob sich eine Punktwolke nach rechts oder nach links bewegt", erklärt Birte Forstmann den Ablauf des Experiments.

Als nächsten Schritt planen die Forscher, Altersstudien durchzuführen. Im Allgemeinen reagieren ältere Menschen langsamer als junge. Bisher ist jedoch nicht bekannt, ob es sich hierbei um einen strategischen Prozess handelt, beispielsweise dadurch, dass ältere Menschen aufgrund von Erfahrung vorsichtiger reagieren, oder ob die längere Reaktionszeit zusätzlich durch hirnstrukturelle Veränderungen bedingt ist.
[BF / CS]


Originalveröffentlichung:
Birte U. Forstmann, Alfred Anwander, Andreas Schäfer, Jane Neumann, Scott Brown, Eric-Jan Wagenmakers, Rafal Bogacz, Robert Turner
Cortico-striatal connections predict control over speed and accuracy in perceptual decision making
Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. 23.08.2010

Weitere Informationen erhalten Sie von:
Dr. Birte U. Forstmann
University of Amsterdam, Amsterdam
E-Mail: b.u.forstmann@uva.nl

Dr. Jane Neumann
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig
E-Mail: neumann@cbs.mpg.de

Dr. Christina Schröder, Forschungskoordinatorin
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig
E-Mail: cschroeder@cbs.mpg.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation B / 2010 (211), 13. September 2010
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2010