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MELDUNG/274: Seele und Geist in der aktuellen psychologischen Forschung (idw)


Universität Witten/Herdecke - 29.07.2015

Seele und Geist in der aktuellen psychologischen Forschung

Herausforderungen und Lichtblicke im Umgang mit Kernthemen der Psychologie


Zur Annäherung an die Ebenen des Seelischen und des Geistigen ist ein ungewöhnlicher Artikel in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift New Ideas in Psychology erschienen. Den Abdruck werten Prof. Ulrich Weger, Leiter des Departments für Psychologie und Psychotherapie an der Universität Witten/Herdecke, und Prof. Johannes Wagemann von der Alanus-Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter als wichtigen Fortschritt. Obwohl seit Jahrtausenden fester Bestandteil unseres Menschenverständnisses, sind diese Ebenen in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten immer weiter in den Hintergrund getreten. Doch das Thema bewegt Forschung und Öffentlichkeit nach wie vor. Gemeinsam sind die beiden Akademiker diesem Thema nun zu Leibe gerückt - oder vielleicht besser ausgedrückt: in die Seele getreten bzw. auf den Geist gegangen.

Ulrich Weger erläutert: "Die zentrale Frage ist ja: Wie können wir uns seelischer und geistiger Qualitäten bewusst werden? Wenn wir erwarten, dass Geistiges als geflügeltes Wesen vor uns erscheint, stellen wir es uns eben leider sehr sinnlich/physisch vor. Das wäre gerade so, als wenn man erwarten würde, dass Gedanken als kristallisierte Holzschnitte oder Marmorbilder irgendwo aus dem Kopf purzeln. Das ist natürlich völlig absurd. Die Frage ist doch viel mehr, welche Form der Begegnung, welchen inneren Zugang wir zur Ebene desSeelisch- Geistigen suchen.

"In meiner Jugend, habe ich mich immer über Regenbögen gefreut und gedacht: Wie schön muss es erst sein, wenn man einmal das Glück hat, mitten im Fuße eines Regenbogens zu stehen. Es hat Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gebraucht, bis ich verstanden habe, dass eine solche Form der Begegnung mit einem Regenbogen äußerlich und physikalisch nicht möglich sei. Eine solche Begegnung - das Eintauchen in den Regenbogen - ist nur in der inneren Begegnung möglich.

Ein ähnlicher Paradigmenwechsel ist, so denke ich, auch in unserer Auseinandersetzung mit dem Seelischen und Geistigen erforderlich. Diesen Weg eines inneren Paradigmenwechsels haben wir in der Studie zu beschreiben versucht. Es war ein großes Ringen und sicherlich auch nur ein erster Schritt, aber es war für uns eine sehr wichtige Erfahrung" Die Studie enthält einen historischen Überblick über die Auseinandersetzung mit den Themen Seele und Geist in den Wissenschaften und schildert das Bemühen um eine meditative Wegbeschreibung zur inneren Erfahrung seelisch- geistiger Qualitäten des Menschseins.

Johannes Wagemann ergänzt: "Es geht nicht darum, die Trichotomie von Leib, Seele und Geist wie in früheren Zeiten als religiöses oder philosophisches Dogma aufzufassen, sondern sie anhand von phänomenologisch unterscheidbaren Aspekten bzw. Funktionen begreifbar und anschaulich zu machen. Neben der klaren Abgrenzung der funktionellen Bereiche ist es ebenso wichtig, ihr Ineinandergreifen zu verstehen. Treten wir einem konkreten Menschen gegenüber, so erscheint er uns ja nicht wie ein aus verschiedenen Funktionsmodulen zusammengesetzter Apparat, sondern als Integration verhaltensmäßiger, erlebnishafter und sinnstruktureller Aspekte. Um einerseits die Differenzierung, andererseits die Integration dieser Bereiche erfahrbar zu machen, lässt es sich nicht umgehen, das eigene Bewusstsein als Schauplatz der Forschung mit einzubeziehen. In herkömmlicher Forschung ist es ja auch vorhanden, nur wird es dort unhinterfragt in den Dienst gestellt, nicht aber immanent untersucht. Die Standardmethoden, die nur die Ebene leiblichen Verhaltensausdrucks erfassen können, müssen um introspektive bzw. meditative Komponenten ergänzt werden. Wie wir in der Studie zeigen, widersprechen diese neuen Methoden nicht dem bisherigen Verfahren der Forschung, sondern ergänzen es komplementär."


Hier finden Sie weitere Informationen:
www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0732118X15000355?np=y

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution226

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Witten/Herdecke, Jan Vestweber, 29.07.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2015

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