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MELDUNG/405: Psychologen der Universität Jena wollen Hirntheorie der Hypnose entwickeln (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 07.07.2017

Das Brett vorm inneren Auge

Psychologen der Universität Jena wollen Hirntheorie der Hypnose entwickeln


Mit der Hilfe von Hypnose gewöhnen sich Menschen das Rauchen ab, finden besseren Schlaf und überstehen sogar Zahnarztbesuche schmerzfrei. Doch was ist eigentlich Hypnose und was genau passiert im Gehirn eines hypnotisierten Menschen? Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten Projektes gehen derzeit Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena unter Mitwirkung eines Kollegen von der Universität Trier diesen Fragen nach, um umfassende wissenschaftliche Antworten auf diese Fragen zu finden. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Scientific Reports" präsentieren sie heute (07.07.) erste Ergebnisse.


Wie das Gehirn hypnotische Zustände ermöglicht

"Wir untersuchen im Rahmen unseres Projektes, wie das Gehirn hypnotische Zustände ermöglicht", erklärt Prof. Dr. Wolfgang Miltner, der sich bereits seit Jahrzehnten mit dem Phänomen beschäftigt. "Aktuell haben wir dabei die Verarbeitung visueller Reize genauer unter die Lupe genommen." Für ein Experiment teilten sie Probanden in drei Gruppen ein: Personen, die sehr suggestibel, also empfänglich für Hypnose, sind, und Personen, bei denen diese Fähigkeit eher mittelmäßig und wenig ausgeprägt ist. "Wir ließen sie hypnotisiert auf einen Bildschirm schauen, auf dem wir verschiedene Symbole zeigten, beispielsweise einen Kreis oder ein Dreieck", berichtet Dr. Barbara Schmidt, die den Versuch durchgeführt hat. "Die Testpersonen bekamen dabei die Aufgabe, ein bestimmtes Symbol zu zählen, sich also darauf besonders zu konzentrieren. Gleichzeitig sollten sie sich ein Brett vor ihren Augen vorstellen. Durch die suggerierte Sichtbehinderung stieg die Anzahl der Zählfehler erheblich." Die Effekte zeigten sich in allen drei Testgruppen, am stärksten ausgeprägt allerdings bei den besonders gut hypnotisierbaren Probanden.

Um auch die Hirnaktivitäten beobachten zu können, waren die Testpersonen an einen Elektroenzephalographen (EEG) angeschlossen. "Betrachten wir die dabei entstandenen neuronalen Vorgänge des Gehirns bei der Verarbeitung der Symbole, dann erkennen wir etwa 400 Millisekunden, nachdem die Probanden das besonders zu beachtende Symbol gesehen haben, eine extrem reduzierte Hirnaktivität, obwohl sie normalerweise sehr hoch sein müsste", erklärt Schmidt. "Kurze Zeit vorher - bis 200 Millisekunden nach der Präsentation des Reizes - zeigen sich jedoch keine Auffälligkeiten." Das bedeute also, dass die einfache Wahrnehmung noch stattfindet, tiefere Verarbeitungsprozesse, wie etwa das Zählen, aber stark beeinträchtigt sind. Auf diesem Weg konnten die Psychologen der Universität Jena herausfinden, wie die Hypnose einzelne Regionen im Gehirn bei der visuellen Reizaufnahme beeinflusst.


Eine seriöse Hypnoseforschung etablieren

In den kommenden Jahren sollen weitere solche Untersuchungen folgen. Dabei widmen sich die Jenaer Forscher zum einen der veränderten Verarbeitung akustischer Reize und zum anderen der Schmerzlinderung durch Hypnose. "Bis in die 1920er Jahre hinein gehörte Hypnose durchaus zur medizinischen Ausbildung und auch heute wird sie wieder in der Anästhesie eingesetzt", berichtet Miltner. "Allerdings gibt es kaum wissenschaftliche Forschungen dazu, warum Hypnose wie ein Narkosemittel wirkt." Leider gebe es zu viele esoterische Spekulationen zu diesem Thema, so dass sich Wissenschaftler auf dem Gebiet häufig mit Skepsis konfrontiert sehen. "Wir müssen nicht mehr zeigen, dass Hypnose wirksam ist, denn das ist bewiesen. Es gilt vor allem herauszufinden, warum und wie solche merkwürdigen Wahrnehmungsveränderungen bei hypnotisierten Menschen möglich sind", sagt Miltner. "So wollen wir eine seriöse Hypnoseforschung etablieren."

Original-Publikation:
Schmidt B. et al. The Power of mind:
Blocking visual perception by hypnosis.
Scientific Reports (2017), 7: 4889,
DOI:10.1038/s41598-017-05195-2,
www.nature.com/articles/s41598-017-05195-2



Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution23

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sebastian Hollstein, 07.07.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2017

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