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MELDUNG/1015: Es ist still geworden um Don King (SB)




81jähriger Promoter jedoch noch immer im Geschäft

Als Promoter Don King 2001 im Verlauf eines turbulenten Flugs von Los Angeles nach Las Vegas gegen die Kabinendecke geschleudert worden war, zeigte bei der nachfolgenden ärztlichen Untersuchung in einer Klinik die Computer-Tomographie ein erstaunliches Bild. Aktuelle Verletzungen fand man nicht, wohl aber Altlasten: Seit einer Schießerei im Jahr 1959 hatte King noch immer fünf Schrotkugeln im Hinterkopf.

Don King, der aus den Spielhallen von Cleveland zu einem der mächtigsten Promoter der Boxszene aufstieg, war für die einen der bestgehaßte Mann der Szene, für die andern eine faszinierende Persönlichkeit, die auf ihre Art mehr für das Boxgeschäft geleistet hat, als jeder andere Promoter: In zahlreiche Gerichtsprozesse verwickelt und wenig später mit den meisten seiner Kontrahenten wieder im Geschäft, von einer Reihe von Ländern als unerwünschte Person mit Einreiseverbot belegt, vom FBI überwacht, von verschiedenen Städten als hervorragender Mitbürger öffentlich geehrt.

Der Promoterkönig hat es zweifellos meisterhaft verstanden, ungeachtet aller Anfeindungen seine eigene Mythisierung so nachhaltig zu betreiben, daß ihn wohl kaum jemand für einen friedfertigen und ehrbaren Mitbürger hält, und dennoch alle Angriffe, ihn wirksam zu diffamieren, geschäftlich zu schädigen oder juristisch kaltzustellen, fehlgeschlagen sind. Keiner seiner Gegner, von denen im Laufe der Jahre zahllose gegen ihn die Stimme erhoben haben, konnte seine Anschuldigungen strafrechtlich durchsetzen. Interessanterweise kamen gerade bei Streitigkeiten, die vor Gericht ausgetragen wurden, neben Don Kings Geschäftspraktiken auch die seiner Kontrahenten zur Sprache, und es warf ein bezeichnendes Licht auf die Situation im Boxgeschäft, daß fast alle Verfahren mit einem Vergleich endeten und die Gegner im Rechtsstreit danach wieder geschäftlich mit Don King verkehrten.

Don King hat sich lange Zeit als durchsetzungsfähiger erwiesen als seine Konkurrenten und konnte sich mit Methoden an der Spitze behaupten, die fraglos auch andere angewendet haben. Daß sein Name immer dann genannt wurde, wenn zweifelhafte Praktiken zur Sprache kommen, war bei einem Mann, der sich in diesem Geschäft eine so exponierte Position geschaffen hat, nicht erstaunlich. Man sollte über dem Gewinn, den er aus seiner Tätigkeit als Promoter gezogen hat, nicht vergessen, in welchem Maß auch das Boxgeschäft von seiner schillernden Präsenz profitiert hat.

King ist insofern ein einprägsames Beispiel der dabei zur Anwendung gebrachten Mechanismen, als ihm trotz jahrzehntelanger Nachstellungen, bundespolizeilicher Observierung und aller erdenklichen Vorwürfe nichts wirklich Nennenswertes rechtskräftig zur Last gelegt werden konnte. Die gängige Version, er sei eben ein mit allen Wassern gewaschener Gangster, der die abgefeimtesten Praktiken beherrsche und die raffiniertesten Schlupflöcher kenne, klang im Laufe der Zeit nicht mehr allzu überzeugend, wenn man bedenkt, daß in jüngerer Zeit ganze Mafiaorganisationen auf amerikanischem Boden ausgehebelt und zerschlagen wurden. Ohne ihn deswegen zum Waisenknaben zu erklären, liegt doch die Annahme nahe, daß man ihm mit pauschalisierter Vorverurteilung zu Leibe rückte, weil der stichhaltige Nachweis, er verlasse zweifelsfrei den Rahmen der Legalität, einfach nicht gelingen wollte.

In jüngerer Zeit ist es still geworden um Don King. Sein alter Erzrivale Bob Arum mit Top Rank und Oscar de la Hoyas Unternehmen Golden Boy Promotions sind heute die Platzhirsche im US-Boxgeschäft. Ganz aufs Altenteil zurückgezogen hat sich King jedoch noch nicht, wie der überraschende Ausgang der Versteigerung des Kampfs zwischen Guillermo Jones und Denis Lebedew unterstreicht. Der US-Promoter legte mit 712.000 Dollar fast doppelt so viel Geld auf den Tisch wie sein russischer Kollege Vlad Hrunow, der nur 357.000 Dollar geboten hatte.

Folglich muß WBA-Weltmeister Lebedew zur Austragung des Titelkampfs im Cruisergewicht gegen den "Champion im Wartestand" Jones im April nach Miami, Panama oder Nigeria reisen. Diese drei möglichen Optionen hat Don King genannt, der wie eh und je große Pläne wälzt. Denis Lebedew, der 25 Kämpfe gewonnen und einen verloren hat, gilt als klarer Favorit im Duell mit Guillermo Jones, dessen hervorstechendstes Talent es seit Jahren ist, Kämpfen wenn irgend möglich aus dem Weg zu gehen. Der Boxer aus Panama war zwischen 2008 und 2012 regulärer WBA-Champion, was vor allem darauf zurückzuführen sein dürfte, daß der Verband seinen Sitz ebenfalls in dem südlichsten mittelamerikanischen Land hat. Jones stand in dieser Zeit nur höchst selten im Ring, durfte seinen Titel aber trotzdem behalten.

Da er seinen Gürtel auch gegen den Interimsweltmeister Denis Lebedew nicht fristgerecht verteidigte, stufte ihn der Verband schließlich zum "Champion im Wartestand" herunter. Zugleich erklärte man den Russen zum alleinigen Weltmeister, der sich allerdings bereiterklären mußte, Jones die Möglichkeit zu geben, sich womöglich den alten Titel zurückzuholen. Dies zuzusagen dürfte Lebedew nicht schwergefallen sein, muß er doch diesen Gegner nicht fürchten, der alles darangesetzt hat, ihm aus dem Weg zu gehen. Fraglich ist allenfalls, ob Guillermo Jones diesmal wirklich in den Ring steigt - vorausgesetzt Don King hat sich mit seinen hochfliegenden Plänen nicht ohnehin überhoben.

8. Februar 2013