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MELDUNG/1177: Auf den Spuren des legendären Joe Calzaghe (SB)




Nathan Cleverly will den Sprung auf die große Bühne erzwingen

Wenn der Waliser Nathan Cleverly den WBO-Titel im Halbschwergewicht morgen in Cardiff gegen den Russen Sergej Kowalew verteidigt, kann er sich der rückhaltlosen Unterstützung seines Heimpublikums gewiß sein. Die wird er auch brauchen, da der Herausforderer neben dem kanadischen WBC-Champion Adonis Stevenson als Boxer mit der gefährlichsten Schlagwirkung in dieser Gewichtsklasse gilt. Kowalew hat 21 Kämpfe gewonnen und einen unentschieden beendet, wobei er 18 seiner 19 Knockouts innerhalb der ersten drei Runden erzielen konnte. Zuletzt machte der Russe Mitte Juni von sich reden, als er in Bethlehem (Connecticut) den US-Amerikaner Cornelius White von Beginn an unter Druck setzte und ihn nach drei Niederschlägen in der dritten Runde besiegte.

Ungeschlagen ist auch der Weltmeister, für den 26 Siege zu Buche stehen. Bei seinem letzten Auftritt setzte er sich am 20. April in der Londoner Wembley Arena klar nach Punkten gegen Robin Krasniqi durch, der bei Sport Events Steinforth (SES) in Magdeburg unter Vertrag steht. Wie Cleverly angekündigt hat, will er im Duell mit Kowalew, das auch vom US-amerikanischen Sender HBO übertragen wird, offensiv boxen. Der Champion entstammt der Waliser Schule, die von dem legendären Trainer Enzo Calzaghe gegründet wurde. Dessen Boxphilosophie basierte auf einer ungewöhnlich hohen Schlagfrequenz, die den Gegner früher oder später zermürbt und fast zwangsläufig zu Wirkungstreffern führt. Obgleich der gebürtige Sarde und ehemalige Weltenbummler zeitlebens nie als Trainer ausgebildet worden war, kürten ihn Experten im Jahr 2007 zum weltbesten Vertreter seines Fachs.

Meisterhaft umgesetzt wurde dieser Boxstil von Enzos Sohn Joe Calzaghe, der elf Jahre lang Champion im Supermittelgewicht war, zeitweise die Titel aller vier großen Verbände in seinem Besitz hatte und als führender Boxer dieses Limits galt. Seinem erbarmungslosen Schlaghagel entkam keiner seiner 46 Gegner, von denen sich 32 vorzeitig geschlagen geben mußten und 19 nicht die zweite Runde überstanden. Seine letzten beiden ebenso spektakulären wie lukrativen Kämpfe bestritt Joe Calzaghe im Jahr 2008 im Halbschwergewicht gegen berühmte Gegner in den USA. Im Frühjahr besiegte er den früheren Champion aller vier Verbände im Mittelgewicht, Bernard Hopkins, knapp nach Punkten. Seine Abschiedsvorstellung gab er am 8. November 2008 im New Yorker Madison Square Garden gegen den nicht minder legendären Roy Jones jun., der sich ebenfalls nach Punkten geschlagen geben mußte. Anfang Februar 2009 beendet Joe Calzaghe ungeschlagen seine erfolgreiche Karriere.

Unablässiger Angriffsdruck ist auch Nathan Cleverlys Mittel der Wahl, will er gegen Kowalew bestehen. Zwar geht der Waliser dabei ein hohes Risiko ein, von einem verhängnisvollen Konter getroffen zu werden, doch stünden seine Chancen schlechter, überließe er mit einer defensiven Kampfesweise dem Russen das Feld. Es sei phantastisch, zu Hause zu boxen, zumal der Kampf so gut wie ausverkauft ist. Die Zuschauer erwarte ein außergewöhnliches Duell zweier Boxer, die beide auf Angriff setzen. Dies sei der wichtigste Kampf seiner Karriere, da er es mit dem bislang gefährlichsten Gegner zu tun habe. Warum der Waliser dieses hohe Risiko eingeht, erklärt sein Promoter Frank Warren.

Es sei Nathan gewesen, der diesen Kampf vor einigen Monaten bei einer Besprechung in London vorgeschlagen und auf seine Durchführung bestanden habe, so Warren. Da er Cleverly von Beginn seiner Profilaufbahn an kenne, verstehe er dessen Wunsch nur zu gut, sich mit einem Sieg in diesem vielbeachteten Duell ein paar richtig große Zahltage zu verschaffen. Alles hänge von einem Vertrag mit HBO ab, der nun einmal der Schlüssel zu hochdotierten Auftritten in den USA sei. Die Aufzeichnungen früherer Kämpfe des Russen hätten bestätigt, wie gefährlich dieser Herausforderer sei, vor dem man Respekt haben müsse. Wer auf diesem Niveau boxe, könne jedoch nicht umhin, beträchtliche Risiken einzugehen. Er glaube an Nathan Cleverly, der etwas ganz Besonderes sei und den Sprung auf die große Bühne schaffen werde. [1]

Dessen berühmtes Vorbild Joe Calzaghe stand seinerzeit vor demselben Problem. Viele namhafte Kollegen hielten ihn für den besten Boxer, den Britannien je hervorgebracht hat. Wer solche Superlative scheut, wird zumindest einräumen, daß ihm kein britischer Konkurrent seiner Gewichtsregion seit dem Zweiten Weltkrieg das Wasser reichen kann. Wenngleich man ihn in Wales auf Schultern trug, schien ihn der Rest der Welt doch erst bei seinen allerletzten spektakulären Auftritten in Cardiff, Las Vegas und New York so richtig wahrzunehmen.

Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/nathan-cleverly-das-ist-der-wichtigste-kampf-meiner-karriere-28352

16. August 2013