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MELDUNG/1262: Ein Australier pocht an Klitschkos verschlossene Tür (SB)




Alex Leapai neuer Pflichtherausforderer beim Verband WBO

Wie aus dem Nichts hat sich der australische Schwergewichtler Alex Leapai zum Pflichtherausforderer Wladimir Klitschkos beim Verband WBO aufgeschwungen. Dank eines ebenso überraschenden wie überzeugenden Siegs gegen den Ranglistenersten Denis Boitsow steht dem in Samoa geborenen Titelanwärter zumindest theoretisch der bedeutendste und lukrativste Kampf seiner Karriere in Aussicht. Sein Erfolg in Bamberg ist um so bemerkenswerter, als sein russischer Gegner zuvor in 33 Profikämpfen ungeschlagen war und in der Vergangenheit mehrmals als möglicher Herausforderer des Weltmeisters im Gespräch war.

Leapai hat sich gegen Boitsow klar nach Punkten durchgesetzt, obgleich ihn eine Handverletzung und überdies ab der siebten Runde eine Zerrung des Wadenmuskels beeinträchtigte. Man nenne ihn nicht umsonst Löwenherz, hob er stolz seinen Kampfesmut hervor, was man ihm angesichts seiner bemerkenswerten Leistung unter erschwerten Bedingungen sicher nachsehen wird. Er habe Samoa und Australien nicht im Stich gelassen und sei sich sicher, daß man fortan zu Hause geschlossen hinter ihm stehen werde. Der Rekurs auf die heimische Boxszene und deren begeisterungsfähiges Publikum ist nicht aus der Luft gegriffen, machen doch australische und neuseeländische Akteure des öfteren auch auf internationaler Ebene von sich reden.

Nun trägt sich Leapais Manager Noel Thornberry mit der Absicht, so schnell wie möglich in Verhandlungen mit Wladimir Klitschkos Team einzutreten, um den eigenen Anspruch auf einen Titelkampf geltend zu machen. Den naheliegenden Einwand, daß der seit 19 Kämpfen ungeschlagene Ukrainer eine Nummer zu groß für Leapai sein dürfte, will der Australier natürlich nicht gelten lassen. Er sei als krasser Außenseiter nach Deutschland gereist, wo man nach landläufiger Meinung als Gast nicht nach Punkten gewinnen könne, und habe sich dennoch behauptet. Da er Boitsow besiegt habe, sei er imstande, jeden zu schlagen, zieht der Pflichtherausforderer eine unzulässige Schlußfolgerung, wie sie freilich aus seiner Sicht unter die Rubrik unverzichtbare Werbung in eigener Sache fällt.[1]

Ob Alex Leapai jemals mit Wladimir Klitschko in den Ring steigen wird, dürfte sich an der Frage entscheiden, ob sich der Australier hierzulande vermarkten läßt. Für das deutsche Boxpublikum ist er ein weitgehend unbeschriebenes Blatt, und auch sein Sieg über Denis Boitsow wird wohl nur von einer interessierten Minderheit registriert worden sein. Daß Klitschko in Australien antritt, wo man mit Sicherheit vor recht großer Kulisse kämpfen würde, ist eine Option, die Manager Bernd Bönte wahrscheinlich prüfen, doch letzten Endes verwerfen wird. Bislang haben die Klitschkos ihre Auftritte auf Deutschland und das nähere Umfeld wie Polen oder die Schweiz konzentriert, wobei die Abstecher nach Moskau von beträchtlichen Einkünften unterfütterte Ausnahmen darstellten.

Wladimir Klitschko genießt als Superchampion der WBA und WBO sowie Weltmeister der IBF und IBO das Privileg langer Fristen für die Absolvierung seiner Pflichtverteidigungen. Da die Verbände an dem Erlös aus Titelkämpfen beteiligt sind, denkt in ihren Kreisen niemand ernsthaft daran, das Reglement gegen den Ukrainer durchzusetzen und ihm womöglich den Gürtel abzuerkennen. Die ungebrochene Regentschaft der Klitschkos ist also ein Produkt ihres Könnens, doch nicht minder ihrer strategischen Dominanz unter Beteiligung der Weltverbände, die ihnen den Rücken freihalten. Obgleich offizieller Pflichtherausforderer bei der WBO, muß sich Alex Leapai demzufolge hinten anstellen. Da er den erhofften Titelkampf nicht so schnell bekommen dürfte, muß er in Erwägung ziehen, zwischenzeitlich andere Auftritte zu bestreiten. Sollte er dabei verlieren, erledigt sich die Frage eines möglichen Duells mit dem Australier aus Sicht Klitschkos von selbst.

Unter der Regentschaft der Klitschkos hat die Logik der lukrativsten Optionen samt deren zielführender Bewerbung das Regelwerk weitgehend aus dem Feld geschlagen. Das Konstrukt der Ranglisten und Regularien, welches schon für sich genommen eine de facto nicht vorhandene Nachvollziehbarkeit vortäuscht, wird im Zweifelsfall für das ukrainische Brüderpaar vollends außer Kraft gesetzt. So bekommen mitunter Kandidaten frühzeitig in ihrer Karriere eine Chance, während andere ewig und vergeblich Schlange stehen. Diese Handlungsfreiheit erlaubte es den Klitschkos nicht zuletzt, den Nachwuchs abzurasieren, eher er zu bedrohlicher Größe herangereift war. Ihre Ära ist mithin nur als Gesamtkomposition zu entschlüsseln, in der sich sportliche, ökonomische und durchaus auch politische Aspekte eng miteinander verzahnen.


Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/nach-seinem-sieg-gegen-boytsov-leapai-bereit-fuer-klitschko-30232

27. November 2013