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MELDUNG/1284: Altstar Roy Jones macht in Moskau Kasse (SB)




Kein Ende in Sicht - Routine reicht für Mittelmaß

Die Frage, wer der beste Boxer der Welt sei, ist absurd in einer Disziplin, die sich aus gutem Grund in Gewichtsklassen untergliedert und durch die Konkurrenz der Verbände noch zusätzlich aufspaltet. Achtzig Kilo und mehr können die leichtesten Boxer von ihren schwergewichtigen Zunftkollegen trennen, und selbst die Weltmeister eines einzigen Limits gehen einander häufig aus dem Weg. Wie also sollte man entscheiden, wer der Beste im Bereich benachbarter Gewichtsklassen sei, ganz zu schweigen vom herausragenden Akteur der gesamten Profiszene?

Dennoch hat man in Expertenkreisen ebendiese Frage gestellt und 1996 mit dem Namen "Roy Jones jun." beantwortet. Seither stand dieser zumindest in den USA lange Zeit im Ruf, der weltbeste Boxer überhaupt zu sein. Und da solche Superlative von den Medien, die selbst maßgeblich zu ihrer Herstellung und Verfestigung beitragen, nur allzu gerne verwendet werden, brauchte sich der US-Amerikaner auf Jahre hinaus keine Sorgen mehr um seine Reputation zu machen. Er galt unbestritten nicht nur als erstklassiger Boxer, sondern verband herausragende sportliche Leistungen mit Showtalent. Wie sonst hätte ein Supermittelgewichtler das Rennen um das Prädikat allererster Güte machen und zum Superstar aufsteigen können?

Sein Aufstieg begann mit einer Niederlage, die der junge US-Amateur im Finale des Mittelgewichts bei der Olympiade 1988 in Seoul bezog. Jones hatte seinen koreanischen Gegner drei Runden lang klar beherrscht und wurde nach dem haarsträubenden Fehlurteil zugunsten des Lokalmatadors mit der Wahl zum besten Boxer des Turniers entschädigt. Mehr noch als der bloße Erfolg zählte die Verknüpfung mit den spektakulären Umständen, die beim US-Publikum ihren Widerhall fanden. Diese Lektion hat Roy Jones nie mehr vergessen. Der damals 19jährige wechselte ins Profilager und kämpfte sich dort unaufhaltsam empor, bis er schließlich 1994 den IBF-Weltmeister im Supermittelgewicht, James Toney, entthronte. Nach 30 Siegen in Folge schloß er 1996 einen Sechsjahresvertrag mit dem Sender HBO ab, der ihm 30 Millionen Dollar einbringen sollte. Jones stieg ins Halbschwergewicht auf, sicherte sich noch im selben Jahr den vakanten WBC-Titel und später auch die Gürtel der WBA und IBF.

Roy Jones verstand sich darauf, sein Image zu pflegen. Immer wieder klagte er öffentlich, der Boxsport habe die Anziehungskraft für ihn verloren, da es ihm an würdigen Gegnern fehle. Da machte die Geschichte die Runde, er werde zum Basketball umsatteln, um dort neue Herausforderungen zu suchen. Selbst die Namen möglicher Vereine wurden genannt, und schließlich kam es sogar zur Vertragsunterzeichnung bei den Jacksonville Baracudas. Natürlich hatte Jones nicht ernsthaft vor, dem Metier seiner Stärke zu entsagen und sich mit Mittelmaß in einer anderen Sportart zu begnügen. Und so stellte der Wanderer durch die Gewichtsklassen, überspannte Superstar, Liebling der US-amerikanischen Medien, Basketballprofi, Züchter von Hunden und Hähnen auch in den folgenden Jahren eindrucksvoll unter Beweis, daß er nebenbei auch noch ein exzellenter Boxer war.

Am 1. März 2003 krönte Roy Jones seine außergewöhnliche Karriere mit einem Punktsieg gegen den körperlich weit überlegenen Puertoricaner John Ruiz im Schwergewicht, der ihn zum WBA-Weltmeister machte. Wohl wissend, daß er sich nicht lange in der Königsklasse behaupten könnte, beließ er es bei diesem Abstecher. Hätte er seine glanzvolle Karriere zu diesem Zeitpunkt beendet, wäre er als der erste und unerreichte "weltbeste Boxer aller Gewichtsklassen" in Erinnerung geblieben. Wie viele andere namhafte Zunftkollegen zog es ihn jedoch auch dann noch in den Ring zurück, als er dem Verschleiß einer langen Laufbahn Tribut zollen und sich nachrückenden Konkurrenten geschlagen geben mußte. Heute ist der inzwischen 44jährige US-Amerikaner nur noch ein Schatten früherer Tage, der in Umkehrung einstiger Heldenverehrung vorzugsweise verhöhnt und verspottet wird.

Inzwischen tritt Roy Jones des öfteren in Rußland auf, in dessen aufstrebendem Boxgeschäft das Geld noch locker sitzt und man gerne mit großen Namen hausiert. Auf einer Veranstaltung in Moskau besiegte er den Franzosen Zine Eddine Benmakhlouf, der freilich seit 21 Monaten nicht mehr im Ring gestanden hatte. Jones spielte seine reichhaltige Erfahrung aus und dominierte den Kampf über weite Strecken, so daß ihm auch Konditionsprobleme gegen Ende den klaren Punktsieg nicht verderben konnten. So verbesserte er seine Bilanz auf 57 Siege und acht Niederlagen, wobei er nach dem Motto der Veranstaltung "The Winner Takes All" auch die Börse seines Gegners mit nach Hause nehmen durfte. Da Roy Jones zumindest in Rußland nach wie vor ein gefragter Name ist, dürfte es nicht das letzte Mal gewesen sein, daß der Amerikaner eingeflogen wird. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/jones-mit-klarem-punktsieg-in-moskau-benmakhlouf-geht-leer-aus-30684

23. Dezember 2013