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MELDUNG/1361: Das Cruisergewicht braucht sich nicht zu verstecken (SB)




Tony Bellew gibt ein erfolgreiches Debüt

Lange Zeit führte das Cruisergewicht eine Art Schattendasein als Durchgangsstation ins Schwergewicht oder zeitweiliges Ausflugsziel für erfolgreiche Halbschwergewichtler, die sich im Vorbeigehen einen weiteren Gürtel sichern wollten. Das hat sich in jüngerer Zeit grundlegend geändert, ist dieses Limit doch inzwischen stark besetzt und entsprechend attraktiv. Der Brite David Haye, der Franzose Jean-Marc Mormeck und der Pole Tomasz Adamek waren vielbeachtete Weltmeister im Cruisergewicht, ehe sie in die Königsklasse aufstiegen.

Wesentlich seltener geht ein Boxer den umgekehrten Weg und steigt vom höchsten Limit ins Cruisergewicht ab. Da das Schwergewicht traditionell wesentlich attraktiver und lukrativer ist, bestand in der Vergangenheit kaum ein Anreiz für einen Wechsel in dieser Richtung. Daß sich die Verhältnisse inzwischen geändert haben, mag der Umstand unterstreichen, daß der renommierte US-Amerikaner Eddie Chambers für einige Zeit in die niedrigere Gewichtsklasse abstieg. Dort tritt inzwischen auch der Kubaner Juan Carlos Gomez an, der vor Jahren unbesiegter WBC-Champion im Cruisergewicht war und derzeit mit seinem alten Trainer Fritz Sdunek einen letzten Anlauf an die Spitze unternimmt.

Die Aufwertung des Cruisergewichts ist insbesondere Sauerland Event zu verdanken, dem weltweit führenden Promoter in diesem Limit. Neben den Weltmeistern Marco Huck (WBO) und Yoan Pablo Hernandez (IBF) stehen Firat Arslan sowie der Nachwuchsboxer Noel Gevor beim Berliner Team unter Vertrag, das zudem Optionen auf Exweltmeister Steve Cunningham, den Polen Mateusz Masternak und den Kanadier Troy Ross hat. Masternak brachte es zum Europameister, bis er im Vorprogramm der erfolgreichen Titelverteidigung Wladimir Klitschkos gegen Alexander Powetkin in Moskau von dem Russen Grigori Drodsd entthront wurde. Zeitweise plante Sauerland Event nach dem Muster des spektakulären Super-Six-Turniers im Supermittelgewicht eine Entsprechung im Cruisergewicht, deren Realisierung jedoch auf unbestimmte Zeit vertagt wurde.

Zur Aufwertung dieser Gewichtsklasse trugen insbesondere die teilweise schon legendär zu nennenden Duelle zwischen Yoan Pablo Hernandez und Steve Cunningham (2) sowie insbesondere Marco Huck und Ola Afolabi (3) und zuletzt Huck und Firat Arslan (2) bei. Beim deutschen Publikum kommen solche Fehden mit einer inszenierten Dramaturgie sehr gut an, was vor allem dann gilt, wenn es sich um zwei einheimische Boxer handelt.

Auch international ist das Cruisergewicht attraktiv besetzt, wenn man an den polnischen WBC-Weltmeister Krzysztof Wlodarczyk, den Streit um den WBA-Titel zwischen Guillermo Jones aus Panama und dem Russen Denis Lebedew oder den Südafrikaner Thabiso Mchunu denkt, der Eddie Chambers die Suppe versalzen hat. Der Waliser Nathan Cleverly wechselte im letzten Jahr in dieses Limit, nachdem er von dem Russen Sergej Kowalew als WBO-Weltmeister im Halbschwergewicht entthront worden war.

Ein erfolgreiches Debüt im Cruisergewicht gab jüngst Tony Bellew, der sich vor heimischem Publikum in Liverpool gegen den ehemaligen Interimsweltmeister Valeri Brudow durchsetzen konnte. Der 31jährige Brite sicherte sich dabei den internationalen Titel der WBO und verbesserte seine Bilanz auf 21 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden.

Eine frühe Entscheidung schien sich anzubahnen, als der Lokalmatador seinen Gegner in der zweiten Runde mit einer Rechten schwer zu Boden schickte. Der Russe kam jedoch rasch wieder auf die Beine und hatte sich im nächsten Durchgang offenbar weitgehend erholt. In der fünften Runde wirkte Brudow jedoch leicht angeschlagen, worauf er in der sechsten einen weiteren Niederschlag hinnehmen mußte. Der Russe war jedoch noch längst nicht am Ende und brachte Bellew im sechsten Durchgang seinerseits in Schwierigkeiten, worauf der Brite geraume Zeit im Rückwärtsgang boxte und wesentlich seltener schlug. Gegen Ende der elften Runde kam Bellew jedoch wieder mit schweren Schlägen durch, die Brudow sichtlich erschütterten. Kurz vor Ende der letzten Runde schickte der Brite seinen Gegner während eines Schlagabtauschs mit einem Haken wiederum auf die Bretter, worauf der Russe ausgezählt wurde.

Er habe gewonnen, das sei die Hauptsache, zog Tony Bellew zufrieden Bilanz. Er habe einen harten Kampf erwartet, da Brudow in seiner langen Karriere selten zu Boden gegangen sei. Dieses Debüt im Cruisergewicht habe viele offene Fragen beantwortet, und da er schließlich nicht jünger werde, wolle er nun möglichst schnell einen Weltmeister herausfordern. Laut Promoter Eddie Hearn ist WBO-Champion Marco Huck der Wunschgegner Bellews. Dieser brauche nur noch einen weiteren Kampf, dann könne er nach einem Titel greifen. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/5629-erfolgreiches-cruisergewichts-debuetbellew-stoppt-brudov-in-der-12-runde.html

19. März 2014