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MELDUNG/1553: Geburt einer neuen Ära im Halbschwergewicht (SB)




Sergei Kowaljow fehlt nur noch Stevensons Gürtel

Mit seinem klaren Punktsieg über Bernard Hopkins hat Sergei Kowaljow am vergangenen Wochenende ein Meisterstück abgeliefert. Wenngleich der 31 Jahre alte Russe im Vorfeld stets betont hatte, er gehe ohne jedes taktische Konzept in diesen Kampf, war das Gegenteil der Fall. Seit Jahren ist es keinem Boxer mehr gelungen, Hopkins derart zu dominieren und ihn aller Mittel zu berauben, den Gegner zu stören, zu neutralisieren und schließlich auszukontern. Kowaljow hielt sich den 49jährigen stets vom Leib, ging volle zwölf Runden lang ein hohes Tempo und landete zahlreiche Treffer. Das Duell hatte mit einem Niederschlag in der ersten Runde begonnen und endete um ein Haar mit einem zweiten und entscheidenden Volltreffer im letzten Durchgang. Nur dank seiner ausgezeichneten Defensive und eines unerhörten Durchhaltevermögens verhinderte Hopkins die erste vorzeitige Niederlage seiner Karriere.

Hatten viele Sergei Kowaljow für einen Haudrauf gehalten, der außer gewaltigem Dampf in den Fäusten nichts zu bieten habe, so hat der Russe alle Kritiker eines Besseren belehrt. Er ist nach diesem souverän erkämpften Erfolg Superchampion der WBA sowie Weltmeister der IBF und WBO im Halbschwergewicht, womit er noch vor dem kanadischen WBC-Champion Adonis Stevenson als führender Akteur seiner Gewichtsklasse firmiert. Beim Publikum kam das Duell in Atlantic City sehr gut an, verbuchte der übertragende Sender HBO doch das zweitbeste Ergebnis des Jahres. Im Durchschnitt 1,328 Millionen und in der Spitze 1,397 Millionen Zuschauer waren mit von der Partie, nur übertroffen von Julio Cesar Chavez und Brian Vera, die am 1. März durchschnittlich 1,390 Fans in ihren Bann geschlagen hatten.

Zu Amateurzeiten hat Kowaljow 195 Kämpfe gewonnen und nur 18 verloren, was zweifellos für eine fundierte Ausbildung und bemerkenswerte Qualitäten spricht. Im Profilager hat er gekämpft, wo immer es sich anbot, und dabei keinen Gegner gescheut. Frühzeitig in seiner professionellen Laufbahn konnte er sich gegen Darnell Boone nur knapp nach Punkten durchsetzen, was jedoch bei diesem Kontrahenten nicht verwunderlich war. Boone hat ungeachtet seiner durchwachsenen Bilanz fast jedem Gegner Probleme bereitet und Andre Ward dessen einzigen Niederschlag verpaßt, Adonis Stevenson ins Reich der Träume geschickt und Gabriel Rosado, Brian Vera und Erislandy Lara nach Kräften geärgert.

Als Kowaljow dringend einen Promoter suchte, um seine Karriere zu beflügeln, packte Kathy Duva von Main Events die Gelegenheit beim Schopf. Um einen Vertrag zu bekommen, mußte der Russe eine Revanche gegen Darnell Boone gewinnen, was ihm binnen zwei Runden gelang. Mit seinem Manager Egis Klimas, dem Trainer John David Jackson und Promoterin Kathy Duva sieht sich der Russe seither von einem hervorragenden Team umgeben, das seinen Interessen zur Durchsetzung verhilft.

Er schaltete einen Gegner nach dem andern vorzeitig aus und hat nun 26 Kämpfe gewonnen und einen unentschieden beendet, wobei nur zwei seiner Kontrahenten die vereinbarte Rundenzahl überstanden. Kowaljow ist nach wie vor kein glänzender Techniker, hat aber offensichtlich das Potential, über seine gefürchtete Schlagwirkung mit beiden Händen hinaus dazuzulernen. Gegen den mit allen Wassern gewaschenen Hopkins boxte er taktisch gut eingestellt und klug, ohne deshalb an Angriffsdruck einzubüßen. Und obwohl er noch nie länger als acht Runden gekämpft hatte, ließ er bis zum Schlußgong keine Müdigkeit erkennen. John David Jackson hatte den Plan entworfen, wie dem erfahrenen Strategen Hopkins beizukommen sei, und sein Schützling setzte das Vorhaben diszipliniert, geduldig und überzeugend um.

Im Unterschied zu dem Lautsprecher Adonis Stevenson, der ihn für zweitklassig erklärt, aber dennoch gemieden hat, wirkt Kowaljow so bodenständig, als habe er nicht vergessen, was er kann und was ihm noch fehlt. Und da das Duell mit Hopkins die lang anhaltende Spaltung des US-amerikanischen Boxgeschäfts in zwei verfeindete Lager erstmals auf hohem Niveau überwunden hat, dürften dem Kanadier bald die Argumente ausgehen, den nun allseits geforderten Kampf gegen den Russen weiter zu meiden. Sollte es endlich dazu kommen und Kowaljow die Oberhand behalten, was ihm durchaus zuzutrauen ist, wäre ihm das Kunststück gelungen, das Bernard Hopkins im Halbschwergewicht verwehrt blieb: Weltmeister aller vier maßgeblichen Verbände zu werden.

Hopkins, der vor vielen Jahren alle Titel im Mittelgewicht zusammengeführt hatte, bleibt ungeachtet der Niederlage in Atlantic City eine Legende, ob er seine Karriere beendet oder noch als 50jähriger Furore macht. Mit seinem Mut, sich dem gefürchteten Russen zu stellen, hat er Kowaljow einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Andere werden weniger großzügig vorgehen und ihn in der Hoffnung hinhalten, er werde über einen anderen Gegner stolpern. Da das derzeit im Halbschwergewicht schwer vorstellbar ist, wird uns die Ära dieses Champions wohl noch geraume Zeit begleiten. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/11/sergey-kovalev-the-new-era-of-the-light-heavyweight-division/#more-184151

12. November 2014