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MELDUNG/1565: Wie der Vater so der Sohn? (SB)




Chris Eubank sen. hebt seinen Sprößling in den Boxhimmel

Wladimir Klitschkos Auftritte stehen mehr oder minder ungeachtet des jeweiligen Herausforderers so hoch in der Gunst des deutschen Publikums, daß sie gewissermaßen eine eigene Kategorie bilden. Davon abgesehen sind es vor allem Duelle zwischen populären einheimischen Akteuren wie Arthur Abraham, Felix Sturm und Robert Stieglitz, die sich angesichts ihrer über Jahre gesponnenen Fehden besonderer Beliebtheit erfreuen. Ganz ähnlich verhält es sich auch in der britischen Szene, wo die Rivalität zwischen Carl Froch und George Groves eine Revanche am 31. Mai vor der eindrucksvollen Kulisse von 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion möglich machte. Damals schickte der Weltmeister der WBA und IBF im Supermittelgewicht den jungen Herausforderer in der achten Runde auf die Bretter und zog damit einen Schlußstrich unter die Kontroverse, wer von beiden der Bessere sei.

So nimmt es nicht wunder, daß die Promoter und Boxer vorzugsweise auf die Karte tatsächlicher oder inszenierter Feindschaften setzen, die das Sportpublikum polarisieren und in ihren Bann schlagen. Wenngleich die Nacht von Wembley der unangefochtene Höhepunkt des britischen Boxjahres bleibt, klingt dieses doch mit einem weiteren Kräftemessen zweier zu Erzrivalen hochstilisierten Akteure aus. Am 29. November soll in London unter diversen offenen Fragen insbesondere jene beantwortet werden, wer künftig die Fahne im Mittelgewicht voranträgt.

Obgleich das Duell zwischen Billy Joe Saunders und Chris Eubank jun. lediglich im Vorprogramm des seinerseits reizvollen Aufeinandertreffens der Schwergewichtler Tyson Fury und Dereck Chisora über die Bühne geht, könnte es doch dem Hauptkampf den Rang ablaufen. Saunders ist in 20 Auftritten ungeschlagen und in den Ranglisten besser plaziert (WBO 2, IBF 8, WBA 12). Der gleichnamige Sohn des legendären Chris Eubank sen. kann 18 Siege vorweisen und wird von der WBO an Nummer 15 geführt. Promoter Frank Warren unterstreicht, daß Saunders Britischer und Commonwealth-Champion, Interkontinentalmeister der WBO sowie Europameister geworden sei. Sein Mittelgewichtler habe alle Aufgaben bewältigt, sei mit den Anforderungen gewachsen, werde auch den jungen Eubank bezwingen und die nächsthöhere Ebene seiner Karriere erklimmen. Umgekehrt kündigt Eubank jun. an, Saunders könne seinen unaufhaltsamen Aufstieg ebensowenig bremsen wie irgendein anderer Gegner zuvor.

Der ältere Chris Eubank war früher Weltmeister im Mittel- und Supermittelgewicht, trug legendäre Duelle mit Nigel Benn und Michael Watson aus und gehört noch immer zu den bekanntesten Sportlern des Landes. Ob sein ältester Sohn ebenfalls das Zeug zu einem Boxer von Weltklasse hat oder bislang vor allem von dem klangvollen Namen seines Vaters profitiert hat, wird natürlich im Vorfeld des bevorstehenden Kampfs hitzig diskutiert. Während die einen meinen, der junge Eubank habe bislang nichts weiter geleistet, als handverlesene Aufbaugegner aus dem Weg zu räumen, heben andere hervor, das Nachwuchstalent habe sämtliche Siege in überzeugender Manier erzielt und dreizehn seiner Kontrahenten auf die Bretter geschickt.

Außerdem kursiert das unbestätigte Gerücht, er habe als Sparringspartner Carl Frochs vor dessen Rückkampf gegen George Groves eine sehr gute Figur gemacht und sei bei anderer Gelegenheit auch mit James DeGale besser zurechtgekommen, als diesem lieb sein konnte. Seither, so heißt es, gebe es böses Blut zwischen Eubank und DeGale. Überdies hat Chris Eubank jun. einige Zeit im berühmten Mayweather Gym in Las Vegas unter den Argusaugen von Floyd Mayweather sen. trainiert und mit seinem Vater auch Kuba aufgesucht, wo er drei Runden lang einem Schwergewichtler standgehalten haben soll. Solche Geschichten, in denen tatsächliche Begebenheiten mit großzügigen Interpretationen und vielleicht auch frei erfundenen Zutaten verrührt werden, unterhalten die Fangemeinde, bewerben den Kampf und munitionieren den Psychokrieg gegen Saunders.

Fest steht, daß der junge Eubank im Alter von 15 Jahren begann, sich ernsthaft mit dem Boxen zu befassen, und seither nicht zuletzt von den Ambitionen seines Vaters auf eine grandiose Karriere eingeschworen worden ist. Die ältere Eubank war schon in seiner Zeit als Champion kein Kind von Traurigkeit und Bescheidenheit. Daran hat sich augenscheinlich nichts geändert, denn wie er behauptet, sei sein Sohn der nächste Floyd Mayweather und schon heute in der Lage, den gefürchteten Gennadi Golowkin zu besiegen. Andre Ward halte er im gesamten Mittel- und Supermittelgewicht für den einzigen Boxer, der seinem Sprößling vorerst noch überlegen wäre. Dieser sei unaufhaltsam wie der junge Roberto Duran, furchtlos und handfest wie James Toney, schnell und kombinationssicher wie Roy Jones und habe vor allem die DNA seines Vaters.

Natürlich sollte man diese Aussagen nicht auf die Goldwaage legen, zeugen sie doch nicht so sehr von den Qualitäten des jüngeren Eubank, als vielmehr dem Showtalent seines exzentrischen Vaters, der die Nation in den 90er Jahren gespalten hat und das heute als Herold seines Sohnes zu wiederholen versucht. Ob er diesem mit seinen absurden Vergleichen wirklich einen Gefallen tut, sei dahingestellt, zumal Eubank jun. noch nicht einmal einen nationalen Titel gewonnen hat. Dennoch entgegnet sein Vater allen Zweiflern, seine Beobachtungen seien objektiv, da sie auf intelligenten Kalkulationen beruhten. Deshalb dürfe man seiner Prognosen vertrauen, daß der Ringrichter auf Saunders' Gesundheit achten solle, da die Schlagwirkung seines Sohnes furchteinflößend sei.

Ob sich Billie Joe Saunders von solchen Drohungen einschüchternd läßt? Zumindest auf dem Papier ist er der erfolgreichere Boxer, zumal er als Amateur Olympiateilnehmer war und im Juli durch einen vorzeitigen Sieg über den erfahrenen Italiener Emanuele Blandamura neuer Europameister geworden ist. Bei den Buchmacher wird er deshalb leicht favorisiert, und Eubanks zunehmend provozierende Äußerungen in diversen Interviews haben ihn derart auf die Palme gebracht, daß er für den Fall einer Niederlage seinen Rücktritt vom Boxsport angekündigt hat. [1]

Während Eubank vollmundig versichert, er werde den Kampf mit diesem Durchschnittsgegner vorzeitig beenden, erklärt Saunders seinen Widersacher für völlig ungefährlich und macht sich über dessen Beziehung zu seinem Vater lustig. Für Zündstoff ist also gesorgt, so daß man zumindest mit einem verbissenen Prestigekampf rechnen kann. Ob er tatsächlich hält, was seine Protagonisten versprechen, muß man angesichts der überzogenen Erwartungen wohl eher mit einem dicken Fragezeichen versehen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/11/why-saunders-eubank-jr-is-just-as-intriguing-as-froch-groves/#more-184918

28. November 2014